Flow -- von Kindern lernen

Ich habe gestern ein sehr interessantes Interview mit Dr. Mihaly Csikszentmihalyi gefunden. Nebenbei bemerkt, ich kann den Namen immer noch nicht richtig aussprechen. Hier ist der Interview-Link. Berühmt wurde Dr. Csikszentmihalyi durch den von ihm geprägten Begriff des Flow. Nach dem Lesen des Interviews und einigen anderen Seiten wurde mir wieder bewusst, wieviel ich in dieser Beziehung von meiner kleinen Tochter lernen kann. Das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit und die damit verbundene Konzentration sowie das aus dieser Tätigkeit erzielbare Glücks- und Erfolgsgefühl ist etwas, bei dem wir Erwachsene wieder viel von Kindern lernen können. Wer sich mit dem Thema “Flow” noch nicht näher beschäftigt hat, findet am Ende des Artikels einige Links dazu.

Flow ist etwas, das wir als Erwachsene sehr wahrscheinlich wesentlich seltener erleben als Kinder. Dies begint bereits an einer ganz einfachen Tatsache. Kinder veranstalten kein “Kick-off Meeting” zum Thema und beschließen dann, “in unserem neuen Projekt spielen wir jetzt Ritter und Prinzessin“, sondern sie fangen einfach an. Darüber hinaus haben Kinder (und kindlich gebliebene Erwachsene, wobei diese Klassifikation für mich mit das höchste Lob darstellt, aber das ist ein anderes Posting) den Vorteil, keine “innere Schere” im Kopf zu haben, die ein Sich-Einlassen auf Flow schon dadurch verhindert, dass viele Ansätze gar nicht verfolgt werden, die zu Flow führen könnten. “Das haben wir ja noch nie gemacht”, “klappt bestimmt nicht”, “was soll denn das bringen”, dies sind noch die harmloseren Formen der Gruppen- und Selbstzensur.

Eine weitere wesentlich Voraussetzung (siehe dazu auch den Link von Alan Baddeley unten) ist das Einlassen auf eine Tätigkeit und das Verhindern einer Überfrachtung des Arbeitsgedächtnisses. Ein Kind, das sich in eine Beschäftigung vertieft hat und ein Erwachsener, der in seiner Aufgabe “versinkt”, blenden alle störenden Einflüsse aus und können sich mental ohne Ablenkung ihrer Aufgabe widmen. Eine Hilfestellung hierzu sind “Konzentrations-Katalysatoren” in Form bestimmter Plätze, Rituale oder Gegenstände. Wer regelmäßig in seinem “Ideen-Eck” oder dem “Zeichenplatz” kreativ sein kann und diesen Platz auch dediziert für diesen Zweck nutzt und so die positive Wirkung als “Flow-Katalysator” verstärkt, findet an diesem Platz leichter in einen entsprechenden Zustand als eines der armen Geschöpfe, die sich zu .com-Zeiten in den Firmen jeden Morgen auf die Jagd nach einem Rollcontainer und einem “Nomaden-Schreibtisch” machten …

Hat man dann seinen Platz, sollte die aktuelle Aufgabe das Wichtigste sein. Wenn ich koche, dann koche ich (gut, als Hobbykoch bin ich da vorbelastet, aber ich wollte mir um diese Uhrzeit kein anderes Beispiel aus den Fingern saugen), was bedeutet, ich denke nicht über IT-Theman nach oder sehe nebenbei fern, sondern gehe in der Tätigkeit auf. Nur dann bekomme ich irgendwann auch eine tolle Idee für eine Variation oder kann während des Kochens aus dem Bestand in der Küche das Gericht entwickeln. Schön ist es, für ein gericht gelobt und nach dem Rezept gefragt zu werden, das “einfach so” entstand, im Flow des Kochens.

Gerade diese Achtsamkeit, das auch in der buddhistischen Tradition verankerte bewusste Tun und Sein ist eine wichtige Voraussetzung, um Flow erleben zu können. Nur dann ist ein auch im Sinn der Informationsdiät erfolgreiches Ausführen einer Aufgabe möglich. Ich habe neulich in einem Blog (gerade gesucht, den Link im digitalen Mahlstrom verloren) gelesen, don’t write the mail message, be the mail message. Das ist vielleicht etwas arg pathetisch, trifft aber den Kern der Sache. Ich habe bereits geschrieben, dass Multitasking nur eine Pseudo-Erleichterung darstellt. Auf der Suche nach Flow wird es geradezu zum gerade oben erwähnten tödlichen Strudel, in dessen Sog die konzentrierte Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Konzentration in mentaler Zerfaserung endet.

Dies ist etwas, das uns Kinder voraus haben (welch chronologisch wirre Formulierung!), den hier wird dem Kind vor der Schulzeit (hoffentlich) die Zeit gelassen, Dinge in seinem eigenen Tempo zu entdecken und sich einer Sache, dieser einen Sachen zu dieser einen Zeit, zu widmen und so Höchstleistungen zu erreichen. Heutzutage verhindern bei Erwachsenen alle möglichen Kleinigkeiten diese Achtsamkeit (wenn Sie zu den Leuten gehören, die die Tür Ihres Büros schließen und die “DND”-Taste am Telefon drücken können, gehen Sie morgen zu Ihrem Chef und danken Sie ihm dafür! Ich tu’s …) verhindern. Was mir dann wieder zu denken gibt, sind Seiten wie diese, in denen jungen Mädchen erläutert wird, wie toll Flow ist und wie man leichter Flow erlebt. Anscheinend ist die Zeit, in der sich das Gehirn und der Körper nach eigenen Maßstäben Informationen aneignen, zeitlich begrenzter, als ich dachte. Vielleicht habe ich das aber auch nur verdrängt …

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