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Zollkiesel statt Meilensteine
Digitaler Zettelkasten eines chronisch Neugierigen

Eine Art Projektabschluss-Bericht 😉
22.08.2025
Anzahl Worte: 824

Geplante Projektlaufzeit 1 Monat. Dauer: 20 Jahre. 🤗

Was soll das denn für ein seltsamer Titel für einen Blogpost sein? 😎 Die Erklärung ist ganz einfach: unsere Tochter hat ihren 20. Geburtstag gefeiert und zu dieser Gelegenheit habe ich Ihr noch einmal einen der “Paperblanks-Briefe” geschrieben.

Als unsere Tochter auf die Welt gekommen war, fuhr ich vom Klinikum nach Hause, wo die beiden Damen ein paar wohlverdiente Stunden Ruhe genossen. Zuhause angekommen saß ich dann da und dachte mir, “Wow, jetzt bist Du Papa. Und jetzt? Es wird sich fast alles ändern, aber was machst Du jetzt?” Schlafen? Keine Chance. Da fiel mein Blick auf eines der leeren Paperblanks-Bücher im Schrank. Und im Kopf formte sich der Gedanke, “schreib Deiner Tochter doch einen Brief, wie es sich anfühlt, vielleicht wird sie den später mal gerne lesen”.

Die Bücher mit den Briefen

Gesagt, getan.
Ich als jemand, der seit Anfang der 80er auf Tastaturen rumklopft, habe dann den Füller rausgeholt und mit bemüht schöner Handschrift meine ersten Erlebnisse und Eindrücke als Papa zu Papier gebracht. Immerhin eine Handvoll Seiten.

Kleines Geheimnis: ich habe danach noch etwas erledigt, was unheimlich nerdig klingt, für das mir unsere Tochter allerdings heute sehr dankbar ist. 😎

Als Mama und Tochter dann eine knappe Woche später wieder nach Hause durften, habe ich (so ein Paperblanks-Buch hat je viele leere Seiten) gleich noch einen Brief geschrieben. Die Idee, das für die ersten Wochen zu tun, war eine natürliche Schlussfolgerung. Irgendwann dachte ich mir, “ach, bis Weihnachten, jedes Wochenende einen Brief und der Zukunfts-Tochter, die lesen kann erzählen, was so passiert ist und was wir drei zusammen erlebt haben”.

Aus Weihnachten wurde ein, “das erste Jahr, das ist ein schöner Abschluss”, gefolgt von “aber jetzt passiert so viel Interessantes, ich kann doch jetzt nicht aufhören” bis zu einem “das ist schon ein Ritual und die Kindergartenzeit ist bestimmt interessanter Lesestoff”.

Ab da war es nicht mehr weit bis zum Schulanfang und dem “ich schreibe so lange, bis sich unsere Tochter an die Erlebnisse in dem Brief erinnern kann”. Natürlich war das erste Buch dann schon vollgeschrieben und ich habe noch 8 verfügbare Exemplare dieser Paperblanks-Reihe gekauft. Auch wenn die Abstände nach der Grundschulzeit dann größer wurden, alle paar Jahre gab es einen neuen Brief mit einem halben Dutzend Seiten.

Ein Beginn eines Briefes

Es sind letztlich über 320 Briefe geworden, alles mit Tinte auf toten Bäumen von Hand geschrieben, beginnend mit schöner Handschrift, die ab der vierten Seite meistens in ein Schriftbild abglitt, dass jedem Oberarzt zur Ehre gereichen würde. 😆 Ab der letzten Klasse der Grundschule wollte die Tochter dann unbedingt die Geschichten lesen und ich habe mich dann als “Gekrakel-Erklärer” betätigt. Jetzt sind es acht mal 128 Seiten geworden, die wahrscheinlich eine meiner besten Ideen sind, die ich als Papa hatte, zumindest nach Meinung meiner Frau und unserer Tochter. 🤗🥰

Der Autor und sein Werk ;-)

Irgendwann fiel uns auf, dass wir nach dem Verschenken der Bücher an unsere Tochter ja kein “Backup” haben, wenn sie mal auszieht. Also haben wir angefangen, die Brief abzutippen und aus den Dateien ein eBook zu machen bzw. für die Sicherung alle Seiten abzufotografieren. Ohne diese Brief hätten wir uns an so viele Dinge nicht erinnert, würden beim Durchblättern nicht erneut lachen oder weinen und unsere Tochter hätte gar nicht erfahren, wie bewegend und faszinierend das Elternsein für uns war und ist.

Jetzt, mit 20 ist sie alt genug, Ihre eigene Geschichte weiter zu schreiben (und hat als Geschenk auch einen Stapel leere Paperblanks bekommen) und ich hoffe, Sie hat noch viel Freude, aus den Erinnerungen ihrer Kindheit Ideen für ihre Zukunft zu schöpfen. Wie der Dichter und Philosoph Khalil Gibran in seinem wunderbaren Gedicht beschrieben hat, ist Loslassen können eine der wichtigsten Kompetenzen des Elternseins.

Eure Kinder

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.

Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts
noch verweilt es im Gestern.

Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.

Laßt eure Bogen von er Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran

Paperblanks Book of Kells, Quoniam


Kommentare

Kommentar 2025-08-29:
wie schön, ich glaub da war ein kleines Tränchen in meinen Augen.

Tags: personal life

Lizenz für diesen Post CC-BY-SA 4.0


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