Schreib-Tipps für Schule & Studium

Wieso Schreib-Tipps?

Schon mal eine zweistellige Zahl von Seiten in Rauch aufgehen sehen? Oder eine Woche Arbeit verloren? Vielleicht zwei Tage vor Abgabe festgestellt, dass Ihr alle Bildangaben nochmal umformatieren müsst? Und, und, und…
Das eigentliche Schreiben ist schon schwer genug, da solltet Ihr all die Dinge, die beim Schreiben einer Arbeit schief gehen können, nicht selbst heraus finden müssen. Dieser Blogpost ist eine Art “note to my daughter” für spätere Arbeiten. 😉

Schreiben ist Arbeit. “If you write it down, it’s science”, sagen die Mythbusters ja immer. In diesen drei Worten “write it down” steckt aber echt Arbeit. Soll das Ergebnis dann in der Schule als Facharbeit oder Projektarbeit elementaren wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, dann umso mehr.

Die Tipps in diesem Post sind in keiner bestimmten Reihenfolge, sondern so, wie sie mir eingefallen sind. Die Liste erhebt auch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und es gibt beispielsweise im Web und in den sozialen Medien eine ganze Menge von Leute, deren Tipps ich nur empfehlen kann. Falls hier noch Tipps eintreffen oder mir noch Dinge einfallen, dann werde ich diesen Blogpost hier unten ergänzen.

Halt, Stop! Noch nicht schreiben. 😉

Klar, jeder Mensch hat seinen eigenen Arbeitsstil. Einige tippen am ersten Tag sofort drauf los, andere sammeln zuerst Material, wieder andere liegen erstmal faul rum lassen sich inspirieren. Viele folgen der alten Schüler-Formel Arbeitseifer = 1 / Restzeit. OK, wieder ernsthaft: ich habe auch nach der Schule eine Menge Texte und Präsentationen produziert und ein paar Bücher geschrieben (die sogar veröffentlicht wurden!) und habe aus meiner persänlichen Beobachtung meines Schreibprozesses drei Phasen identifiziert: Ideen- und Materialfindung, die Erstellung, die Fertigstellung.

Der erste Teil ist die Recherche und die gedankliche Vorbereitung. Für eine Facharbeit bekommt Ihr ein Thema gestellt oder dürft es auswählen. Hier arbeite ich – surprise, surprise – fast immer analog oder mit einer Mischung aus analog und digital gespeicherten Links. Hier kannst Du das literarische Trüffelschwein spielen, Material sammeln, Literatur finden, erste Strukturen und einen “elevator pitch” für die Arbeit finden. Das ist eine Antwort innerhalb einer Fahrt mit dem Aufzug, also etwa 30 Sekunden. In diesen 30 Sekunden solltest Du erklären können, um was es in Deiner Arbeit geht und wie der grobe Aufbau ist. Sieh es wie den Klappentext oder die Rückseite eines Buches: will ich das Ding kaufen? Klingt es sinnvoll und interessant? Wenn Du das hast, kannst Du Literatur zu diesem Thema suchen, eine erste Gliederung basteln.

Der zweite Teil beginnt dann, wenn Du die Gliederung (oder das Inhaltsverzeichnis) hast. Dann beginnt der eigentliche Schreibprozess. Dazu gibt es unten noch einige Tipps, aber hier geht es um die Textproduktion. Dazu gehört auch das wissenschaftliche Schreiben. Also salopp geschrieben die Punkte “was möchte ich rausfinden und warum”, das “und wie und mit welchen Methoden mache ich das” sowie ein “das hab ich rausgefunden und hier sind die Gründe und Belege, warum das auch stimmt”. Kann man natürlich auch als “Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens” auf 50 oder 100 Seiten auswalzen, aber das wird Euch Eure Lehrkraft sicher in die Hand oder auf den Rechner drücken. 😉

Der dritte Teil ist umfasst eventuelle Umstellungen des Textes (und Du wirst Sachen umstellen), das Korrekturlesen, Feinschliff, Formatierungen und Ausdruck bzw. Export in das Ausgabeformat prüfen, das Testen der Erstellung von Literaturverzeichnis und Inhaltsverzeichnis, Layout-Optimierung (such mal im Web nach “schusterjungen und hurenkinder”. Dieser Abschnitt ist von der Länge her nicht zu unterschätzen.

Meine Erfahrungen

Mach Dir eine Zeitplanung. Und nein, “Arbeitseifer = 1 / Restzeit” ist keine Zeitplanung. 🤣 Teile Dir die einzelnen Teile ein (ja, das ist schwierig, wenn Du das erste Mal ein längeres, kompliziertes Dokument mit eigenen Inhalten erstellen musst). Denke daran, Dich mit Deinem Werkzeug vertraut zu machen. Das bedeutet, Du lernst vorher, wie Fußnoten, Zitate, Literaturverwaltung und Formatvorlagen in der von Dir benutzten Textverarbeitung oder dem Satzsystem funktionieren. Wenn Du mit Freundinnen und Freunden für ein langes Wochenende auf ein OpenAir fährst, machst Du dann auch nicht die ersten Fahrstunden oder lernst, wie man ein Zugticket kauft. Wenn Du noch wenig Plan von Deiner Textverarbeitung hast, rechne mal mit zwei Wochen jeden Nachmittag zwei bis drei Stunden (jaaa, das dauert so lange. Kannst Du jetzt glauben oder hinterher mit Heulen und Zähenknirschen in Deiner Zeitplanung unterbringen. Ich habe drei Bücher mit Microsoft Word geschrieben, daher kommen die grauen Haare auf der linken Seite 😉).

Vorab: arbeite mit einem Workflow, der für Dich passt. Lass’ Dich gerne inspirieren und lerne Dinge, aber befolge nicht sklavisch irgendwelche “best practices”, ohne sie verstanden zu haben. Versuche zu Beginn einige Ansätze und bewerte die aus der Praxis. Hybrid ist OK, ich habe alle meine Bücher auf Papier als Zettelsammlung/Post-Its begonnen. Also darfst Du auch gerne all das ignorieren, was in diesem Text steht. Nur eine Bitte: sieh Dir vorher einige Ansätze an. Die wenigsten Facharbeiten, Projektberichte, Hausarbeiten oder Studienarbeiten kommen so überraschend wie jedes Jahr Weihnachten. 🤣 Wenn Du die ersten drei Wochen mit “Methodenfindung” verbrätst, kannst Du die Zeitplanung in die Tonne treten.

Textlänge ist ein interessantes Thema. Erstens bekommst Du sowieso eine Vorgabe, die meistens viel kürzer klingt, als es dann tatsächlich Arbeit wird. Das liegt daran, dass ich einen langen Labertext zu einem Thema aus dem Ärmel schüttle, schwierig ist es, einen kurzen, prägnanten Text zu schreiben. Auch wenn mein Lehrer im Bio-LK immer sagte: “als Naturwissenschaftler bin ich nach 30 Seiten erst mit dem Urknall und der Entstehung der Erde fertig” …

Terminologie ist wichtig. Lege Dir ein Glossar und ein Abkürzungsverzeichnis in einer eigenen Datei an und halte Dich daran. Achte auf die korrekte Schreibweise, auch Groß- und Kleinschreibung oder feststehende Begriffe. Wenn Du dieses Glossar in einer eigenen Datei (und da je nach Software in einer eigenen Tabelle) führst, kannst Du das am Ende der Schreibarbeit einfach in das Dokument reinkopieren. Wichtig: Abkürzungen immer erst erklären, dann die Abkürzung einführen.

Anglizismen um der Anglizismen willen zeigen nur, dass man die eigene Sprache nicht beherrscht. Abhängig vom Fachgebiet gibt es durchaus auch deutsche Begriffe für viele Dinge. Andererseits nicht krampfhaft versuchen, Sachen zu übersetzen. Niemand bei Verstand sagt mehr “Kellerspeicher”, das ist ein “stack”. Wenn Du Glück hast, besitzt ein Terminus in mehreren Sprachen die gleichen Abkürzung: so ist eine “LAA” je nach Sprache entweder eine “linksarterielle Ablation” oder eine “left arterial ablation”. 😄

Gebt den Text jemand zu lesen, der nicht in der Materie drinsteckt. Meine Frau hat für mich ein XML-Buch lektoriert. Für eine Sozialpädagogin kann es kaum einen größeren Liebesbeweis geben! 😄 Ich habe mich als IT-Mensch mit dem Korrekturlesen ihrer Diplomarbeit zur Durchführung von Jugend-Freizeiten revanchiert. Sowas zeigt schnell, ob Ihr für Fachidioten oder verständlich schreibt. Es gibt den geflügelten Spruch, dass viele deutsche Autoren schreiben, um zu beeindrucken und viele amerikanische Autoren, um verstanden zu werden. Da ist was dran 😉

Ich empfehle keine bestimmte Software, denn Facharbeiten und sogar Bücher lassen mit mit fast allem schreiben (alles eine Frage der Leidensfähigkeit). Verwende, was Du kennst oder Deine Schule im Einsatz hat, aber lern’ den Umgang mit dem Ding! Ich habe mehrere Bücher mit Microsoft Word geschrieben und werde sicher kein weiteres damit schreiben. 🤣 Oder lernt Markdown (https://arminhanisch.de/2018/05/warum-markdown/) oder Asciidoc (http://asciidoc.org), das geht in einem Nachmittag (für AsciiDoc in zwei bis drei Nachmittagen). Sowas rettet Euch den Hintern und mit Tools wie pandoc lassen sich damit professionell aussehende PDFs produzieren. Wer will, kann auch gerne LaTeX verwenden, aber das ist was für Nerds 😉

Formatierungen und Layout macht der Markdown/AsciiDoc Generator (HTML, ePub, PDF, Word gibt es automatisch, das ist auch so ein Vorteil dieser Dinger). Wenn es denn eine Textverarbeitung sein soll: nur (und nochmal: nur) Formatvorlagen, nie direkt rumformatieren! Lern mit Formatvorlagen umzugehen! Schreibe vorher zuerst den Text ohne jede Formatierung bzw. mit der Standard-Formatvorlage und danach werden Überschriften, Bildbeschriftungen, Zitate und anderen mit Formatvorlagen formatiert. Alle Textverarbeitungen können diese Zuweisungen auch auf eine Tastenkombination legen.

Wenn Du eine besondere Formatierung brauchst, erstelle eine neue Formatvorlage. Wenn sich rausstellt, dass eine Formatierung geändert werden muss, ändere die Definition der Formatvorlage. Wenn Du Deine Nerven behalten willst und nur eine Sache aus diesem Text mitnimmst, dann diese.

Bilder und Grafiken nie in das Dokument, sondern immer per Verweis oder Link referenzieren und die Dateien mit den Grafiken in einem Ordner sammeln. Ich verwende einen Ordner für das Projekt und darunter gibt es einen Ordner “images”. Als Dateiformat wenn möglich PNG oder SVG für Diagramme (weil verlustfreie Komprimierung). Für Fotos reicht JPG. Lernt die Unterschiede zwischen den Dateiformaten. Wenn Ihr mit Dateipfaden arbeitet, immer mit einem relativen Pfad von einem Basisordner aus arbeiten, das erlaubt das Verschieben der Arbeit an einen anderen Platz.

Lerne den Umgang mit URLs und wie diese aufgebaut sind. Dieses Wissen brauchst Du später nach der Schule immer wieder und jede Menge Probleme haben ihren Ursprung darin, dass Leute nicht wissen, wie eine URL aufgebaut ist. Schamlose Eigenwerbung: https://www.arminhanisch.de/2019/09/url-kompendium/ 😉

Besorgt Dir eine Literaturverwaltung (ich empfehle für den Anfang http://zotero.org). Ja, auch MS Word hat eine Literaturveraltung. Vergib eindeutige Kennungen und tragt die in den Text ein (z.B. wie hier https://simondcoll.com/references-markdown-zotero/). Wenn Du mit einer modernen Version von Microsoft Word arbeitest, dann könnt Ihr da die eingebaute Quellenverwaltung und Zitierfunktion nutzen. Es gibt im Web jede Menge Tutorials. Die Funktionen stecken im Ribbon “Referenzen”.

Lerne zitieren und Zitatregeln, das hält Jahrzehnte! Du bekommst wahrscheinlich eine Vorgabe, wie Du zu zitieren hast, aber sei Dir darüber im Klaren, dass es Hunderte andere anerkannte Regeln von vielen Fachpublikationen gibt, die sich je nach Branche und Fachbereich unterscheiden. Eine Literaturverwaltung nimmt Dir das Erzeugen der Bibliographie ab.

Attribuierung (z.B. für Bildlizenzen) ist wichtig und keine oder eine unvollständige Angabe verletzt in der Regel die Lizenzbedingungen und damit ist es das Gleiche, als hättet Ihr nichts angegeben, nämlich eine Urheberrechtsverletzung. Besonders im Schulbereich wird immer das Hohelied des OER gesungen und die Creative Commons-Lizenzen empfohlen. Dann lerne bitte auch, wie so eine Lizenz korrekt genutzt wird und welche Angaben nötig sind. Der Großteil der Werke, die ich im digitalen Lehrerzimmer gefunden habe, waren nicht korrekt attributiert. 😉

Sucht Dir eine Konvention für Dateinamen und verwende diese konsequent. Wenn Ihr das Datum da drin haben wollt, dann nehmt das ISO-Format YYYY-MM-DD. Das ist eigentlich nicht notwendig, denn jedes Betriebssytem kann nach Datum sortieren, aber weiß ich schon. 😄 Besser noch, nutze eine Versionsverwaltung, dann ist das alles nicht nötig. Verschiedene Verzeichnisse für Abbildungen, Diagramme, Notizen machen die Organisation wahrscheinlich leichter. Zur Versionsverwaltung: schau Dir z.B. http://gitlab.com oder http://github.com an und lernt die Weboberfläche. Sieht schwerer aus als es ist (notfalls hier fragen oder Tutorial googlen), aber danach willst Du das nie wieder anders haben (ist wie Google Docs auf Doping)

Fragen, fragen, fragen. Ich habe Leuten die Ohren abgekaut und dumme Fragen gestellt und jede Menge dabei gelernt. Wenn Du vorher fragst, bevor Du Deinen Text kaputt gemacht hast, sind die Leute üblicherweise netter. Lieber einmal zu viel gefragt als ein Mal zu wenig und dann Stunden damit zu verbringen, irgendwas im kompletten Text zu korrigieren. Nutze jede Möglichkeit, von erfahrenen Autoren zu lernen und abzukupfern, dann entwickle Deinen eigenen Arbeitsstil.

Oh, one more thing: Backups. Backups! BACKUPS! Und nochmal: mache mindestens zwei Scheiss-Backups auf zwei verschiedenen Medien! Ich kann Dir Stories erzählen …
Ja, ich mein das ernst: mach’ ein Backup. Jetzt! Ich warte. Bunkere die Backups an unterschiedlichen Orten! Nein, nicht einfach neben dem Rechner! Nein, nicht auf dem USB Stick der eh immer drin steckt! Lagere ein Backup verschlüsselt in die Cloud aus und lagert ein externes Backup an einem anderen Ort/in einem anderem Gebäude. So habt Ihr zumindest einen Grund, mal wieder die Eltern oder Freunde zu besuchen 😉

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