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Zollkiesel statt Meilensteine
Digitaler Zettelkasten eines chronisch Neugierigen

Kein Entkommen ins Digitale
16.03.2025
Anzahl Worte: 579

Es gibt kein Entkommen ins digitale ewige leben

Ein Online-Bekannter hat vor Kurzem die Folge “San Junipero” der Serie “Black Mirror” erwähnt und ich habe mir die nochmal angesehen und beim Nachdenken dabei fiel mir etwas auf, dass so selbstverständlich ist, dass alle Science Fiction-Geschichten das ausblenden bzw. übersehen: Du entkommst dem Sensenmann nicht. 😧 In all den Geschichten, in denen ein “mind upload” vorkommt, wird gezeigt, wie die Person (bzw. deren Bewusstsein) nach dem Transfer in der digitalen Welt (je nach Kontext bzw. Einschätzung Simulation, ewigem Leben, digitalem Gefängnis, Speicherkonserve 😉) erwacht oder wie Leute zwischen der virtuellen und der echten Welt hin- und her wechseln.

Nehmen wir an, die Wissenschaft wäre soweit und ich könnte einen “mind upload” durchführen. Der Punkt ist, dass dieser wie auch immer geartete Transfer zwar dem Ziel den Eindruck vermittelt, “ich” zu sein, aber “ich ich”, das Original sterbe trotzdem. Natürlich ist das für das fortgeführte Bewusstsein unerheblich, denn das neue “ich” bleibt ja aktiv. Für das “originale ich” gilt das nicht. Niemand, der Angst vor dem Sterben hat oder sich eine sehr lang andauernde Existenz in “hardware” statt “wetware” erhofft, entkommt dem Sensenmann. Für dieses Bewusstsein lautet die schon immer bestehende Gewissheit, das es enden wird. Keine Ahnung, wie sich das anfühlt, aber das Sterben und das Ende der eigenen Existenz ist unausweichlich. Ob der Gedanke, dass “ich neu” weiter existieren und meine Gedanken fortführen wird, da tröstlich ist, sei dahingestellt.

Im Bereich der Science Fiction Literatur ist es wesentlich angenehmer oder für das Publikum erfreulicher, diesen Punkt im Plot schnell zu übergehen. Es gibt daher eher wenige Beschreibungen des Offensichtlichen aus der anderen Perspektive: die des “Originalmediums”. Ein Beispiel findet sich in “Old Man’s War” von John Scalzi:

And then I’m me again, staring into Dr. Russell’s room feeling dizzy and looking straight at Dr. Russell’s face and also the back of his head and thinking to myself, Damn, that’s a neat trick, and it seems like I just had that thought in stereo. And it hits me. I’m in two places at the same time.
I smile and see the old me and the new me smile simultaneously. “I’m breaking the laws of physics,” I say to Dr. Russell from two mouths. And he says, “You’re in.” And then he taps that goddamned PDA of his.
And there’s just one of me again. The other me. I can tell because I’m no longer staring at the new me anymore, I’m looking at the old me. And it stares at me like it knows something truly strange has just happened. And then the stare seems to say, I’m no longer needed. And then it closes its eyes. At that I walked over to my old body, resting in the crèche. It looked sad and sagged, like an old suitcase. I reached out to touch my old face. It was warm, and I felt breath. I recoiled.
“It’s still alive,” I said, backing away. “It’s brain dead,” Dr. Russell said quickly. “All your cognitive functions made the transfer. Once they had, I shut down this brain. It’s running on auto-pilot-breathing and pumping blood, but nothing more and that only provisionally. Left on its own, it’ll be dead within a few days.”

Wie Dr. Russell so schön erklärt, “alle ihre kognitiven Funktionen haben den Transfer geschafft. Sobald das klar war, habe ich sein Gehirn abgeschaltet”. Das war’s dann. Game Over. Irgendjemand muss immer dran glauben, egal wie viele digitale Kopien es gibt.


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