
Zollkiesel statt Meilensteine
Digitaler Zettelkasten eines chronisch Neugierigen
Zollkiesel statt Meilensteine
Digitaler Zettelkasten eines chronisch Neugierigen
Im zweiten Teil dieser Reihe beschreibe ich ein erstes Zurechtfinden im System hinsichtlich Desktop, Update-Verwaltung und Softwareinstallation. Danach nochmal etwas mehr zu der Frage, warum ich anstelle von Linux ein BSD ausgewählt habe (und ja, das soll nicht nur ein “Spielsystem” werden, sondern tatsächlich eine Arbeitsmaschine für mich und Andrea).
Nach der Installation und dem ersten Anmelden erwartet mich der GhostBSD-Desktop. Je nach gewählter Variante ist das der MATE Desktop (beim Image von GhostBSD) oder xfce4 (beim Community-Image). So habe ich die Möglichkeit, mir den passenden Desktop für die Installation auszusuchen.
Außer den beiden lassen sich auch andere grafische Umgebungen installieren, dazu weiter unten mehr.
Es ist bei jedem Betriebssystem eine gute Idee, nach der Installation erst einmal dafür zu sorgen, dass das System auf dem aktuellen Stand ist. Hier zeigt sich einer der Unterschiede bzw. Vorteile von GhostBSD gegenüber FreeBSD. Eric Turgeon, der die Idee zum GhostBSD-Projekt hatte, hat einige grafische Werkzeuge als Arbeitserleichterung programmiert, darunter auch das Tool UpdateStation
. Dieses sorgt als Update-Manager dafür, dass sich Aktualisierungen der Systemkomponenten aus einer grafischen Oberfläche auswählen und installieren lassen. Das Tool prüft auch bei jedem Neustart, ob es neue Updates gibt und zeigt dann eine Meldung an.
Hierzu wird das zweites grafische Tool von GhostBSD verwendet, die SoftwareStation
— das Gegenstück zu all den Paket-Managern in Linux. GhostBSD bietet aktuell Zugriff auf über 36.000 Pakete, die „üblichen Verdächtigen“ wie Firefox, Krita, Thunderbird, LibreOffice & Co sind da natürlich dabei. In der Navigationsleiste links lässt sich durch die einzelnen Kategorien blättern oder ich kann im Suchfeld oben einfach ein Stichwort eingeben.
Der Hauptgrund für das GhostBSD-Projekt war es, ein FreeBSD mit einer automatisch konfigurierten grafischen Oberfläche zu bieten, so dass Benutzer nicht mit einem Textlogin empfangen werden und sich das X11-System, den grafischen Desktop und alle Tools erst manuell installieren und konfigurieren müssen. Dies ist wirklich gut gelungen und GhostBSD ist die einfachste Methode für Umsteiger und Neueinsteiger zu einem laufenden BSD mit einer grafischen Oberfläche zu kommen.
Wie schon das Community-Image für die Installation von xfce4 zeigt, mögen aber nicht alle den eher weniger bekannten MATE-Desktop (der ein Fork von GNOME2 ist). Der Grund für den Einsatz liegt in der Vorliebe von Projektgründer Eric Turgeon. In einem Interview von 2010 schreibt er:
Ich hatte noch nie etwas entwickelt, ich war nur ein normaler FreeBSD-GNOME-Benutzer. Ich kam von Ubuntu und teilweise von PC-BSD. Ich bin kein Fan von KDE und hatte noch nie ein BSD-Projekt mit GNOME gefunden.
Sollte mir sowohl der MATE Desktop des offiziellen Release als auch die xfce4-Umgebung der Community-Edition nicht gefallen, dann finde ich unter GhostBSD Desktop Environments Hinweise und Links zu anderen Oberflächen. KDE Plasma oder auch Cinnamon ist kein Problem, dafür muss ich nicht bei Linux bleiben. Aus diesem Grund poste ich hier auch keinen ellenlangen Listen mit Applikationen oder Einstellungen der einzelnen Desktops, so lässt unter den obigen Links jederzeit direkt nachschlagen.
Die Rolle des Handbuchs übernimmt dieser Link. Dazu enthält das Wiki jede Menge weiterer wertvoller Informationen. Dort finden sich auch Hinweise zur Installation von weiterer Software, dem Aufbau des Systems und administrativen Tätigkeiten wie dem Anlegen von Benutzerkonten. Da die Basis für GhostBSD das FreeBSD-System ist, ist das qualitativ wirklich sehr gute FreeBSD-Handbuch eine der besten Quellen, um mehr über das System zu lernen.
Den „Stammbaum“ der BSD-Familie erklärt gut dieser Wikipedia-Artikel. Die Wahl fiel für mich auf GhostBSD, weil ich ein „FreeBSD mit vorkonfiguriertem X11 und grafischem Desktop“ haben wollte. Bei den anderen BSDs hätte ich erst manuell die ganzen Grafiksachen installieren und einrichten müssen und wenn Du nach Jahrzehnten gerade dabei bist, BSD wieder neu zu entdecken, dann war mir das zu viel für den Anfang. 😉
Da GhostBSD ein “vorkonfiguriertes” FreeBSD ist, gelten sehr viele (es gibt ein paar technische Unterschiede) Aussagen zum Betriebssystem von FreeBSD ebenso. Zumindest für die unvermeidliche Frage “was ist jetzt so toll an diesem GhostBSD im vergleich zu Linux” kann ich also beruhigt sowohl auf Informationen über GhostBSD wie über FreeBSD zugegriffen werden.
Was sind dann zusammengefasst die für mich wichtigsten Unterschiede zwischen Linux und GhostBSD?
Linux wird unter der GPL zur Verfügung gestellt, die strenge Anforderungen hinsichtlich der Open Source Philosophie stellt. So muss jede modifizierte und weiterverbreitete Version des ursprünglichen Werks ebenfalls unter der GPL stehen.
GhostBSD als Betriebssystem steht unter der BSD-Lizenz, die wesentlich freizügiger ist. Eingebundene Drittsoftware wie installierte Anwendungen können auch unter einer anderen Lizenz wie der GPL stehen, das betrifft aber nicht das Betriebssystem.
Das BSD-Projekt besitzt einen Fokus auf Einfachheit, Code-Qualität und Eleganz. Das Entwicklungs-Team ist kleiner und der Ansatz zur Entwicklung zentralisierter, wobei die Entwickler Wert auf sauberen, gut dokumentierten und qualitativ hochwertigen Code legen. Alle BSD-Derivate sind komplette Betriebssysteme mit allen Tools, während Linux selbst ein Kernel ist, der immer mit anderen Werkzeugen (z.B. den GNU-Tools) zusammen in einer Distribution ausgeliefert wird. Daher ist ein BSD-Release bekannt für Konsistenz und Stabilität. Netflix beispielsweise betreibt seine Streaming-Server mit FreeBSD.
Daher ist das gesamte Betriebssystem in das Entwicklungsmodell integriert. Das bedeutet, dass es nicht nur ein Kernel-Projekt mit verschiedenen Kombinationen von Userland-Tools ist wie bei Linux, und dass es damit weniger Stolpersteine beim Upgrade von einer Version auf eine andere gibt.
Die im vergleich zu Linux sehr hohe Qualität und Konsistenz der Dokumentation bedeutet, dass ich für viele Systemkonfigurationen und -einstellungen immer noch Anleitungen verwenden kann, die mehrere Releases zurück reichen. Das FreeBSD-Projekt (und damit auch GhostBSD) versucht wirklich, die Ziele der Unix-Philosophie in Bezug auf Dateisystem-Hierarchiestrukturen, Textkonfigurationsdateien usw. zu verfolgen. Die Dokumentation gerade zu FreeBSD ist erstklassig.
Wie Linux ist auch der BSD-Kernel ein überwiegend monolithischer Kernel, der aber einen stärkeren Fokus auf Modularität legt. So können im Gegensatz zum Linux-Kernel einzelne Systemkomponenten wie Netzwerktreiber oder Dateisysteme als Module hinzugefügt oder entfernt werden, ohne den gesamten Kernel zu beeinflussen. Dies erleichtert nicht nur die Anpassung an spezifische Anforderungen, sondern vereinfacht auch die Wartung des Codes.
Die *BSD-Systeme zeichnen sich auch durch eine saubere Trennung zwischen Betriebssystem und den Komponenten und Anwenderprogrammen, dem sogenannten userland. Ein Upgrade des Systems ist daher völlig problemlos. Was ich damit meine? Das hier ist der Inhalt des Ordners /bin
auf einem BSD-System:
Den gleichen Screenshot für Linux spare ich mir, denn das Beispiel auf der Linux-Seite ist das, was ich als „convoluted mess“ bezeichnen würde. 😉 Die beliebte Distribution “Linux Mint” (mit dem xfce-Desktop) hat im Ordner /bin
über 1870 Dateien! Kernel, Systemkommandos und installierte Anwendungen bunt durcheinander gemischt. Bei einem BSD-System ist das sauber in /bin
(und /sbin
) für das System und in /usr/local/bin
(und /usr/local/sbin
) für das Userland getrennt und ich kann das Betriebssystem völlig problemlos aktualisieren, ohne dass die installierten Tools gestört werden.
Alle Mitglieder der BSD-Familie wurden von Anfang an mit dem Fokus auf Einfachheit (keine unnötige Komplexität, die für Fehler sorgt), Codequalität und saubere Schnittstellen im Kernel (was die Anfälligkeit für Fehler und Sicherheitslücken verringert) sowie Stabilität und Performance (Netflix streamt nicht ohne Grund mit FreeBSD) entwickelt. OpenBSD beispielsweise hat Sicherheit als „oberste Direktive“ des Projekts.
Sicherheit wird nicht als nachträglicher Zusatz betrachtet, sondern war von Anfang an fester Bestandteil des Designs. Viele Sicherheitsfunktionen sind bereits eingebaut und nicht erst später ergänzt worden. ein weiterer Vorteil ist die zentraler ausgerichtete Entwicklung des BSD-Systems unter einer gemeinsamen Vorgabe. Dies erleichtert ebenfalls das Halten eines hohen Niveaus an Sicherheit und Codequalität.
Wer einfach nur weg von Windows will (und das ist eine sehr verständliche Haltung! 😎) für den ist eine der Linux-Distributionen sicher der richtige Weg. Aber wie die obigen Absätze zeigen, gibt eine ganze Reihe an Argumenten für ein BSD-Unix, vor allem, wenn es mit GhostBSD jetzt eine so anwenderfreundliche Einstiegsvariante mit grafischem Desktop gibt. Die BSDs sind komplette Betriebssysteme „aus einem Guss“ und nicht eine Zusammenstellung verschiedener Tools von verschiedenen Quellen, die von verschiedenen Leuten verwaltet werden.
Ja, das Angebot hinsichtlich Hardwareunterstützung ist dünner, aber mein Einsatzzweck ist nicht Gaming oder Videobearbeitung und “heavy GUI usage”, sondern Bloggen, Schreiben, Programmieren und das übliche Web-Zeug. Auf dem Thinkpad funktionierte nach der Installation alles von Touchpad über WLAN bis zu Sound und der Grafik problemlos, was will ich mehr? Hier liegen noch zwei Raspberry PI rum, die ebenfalls ein BSD bekommen (auf dem einen läuft schon FreeBSD und ein manuell nachinstalliertes X11 mit dem xfce Desktop). Als Netzwerkserver ist FreeBSD (und auch GhostBSD) ideal geeignet, das eigene Heim zu versorgen und mit ZFS als Dateisystem auch mit die sicherste Variante, die sich bauen lässt.
Drei sehr gute Artikel zum Thema FreeBSD (und damit auch GhostBSD) von drei BSD-Profis, die noch weit tiefer ins Detail gehen:
Und noch ein Artikel von Eric Turgeon selbst zum Stand und der Zukunft von GhostBSD: Link zum PDF
Mal sehen, was mir dann für den Teil 3 einfällt. Bis dahin viel Freude mit dem Betriebssystem Eurer Wahl (einem BSD? 😉).
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