Persönliches Informationsmanagement

Dieser Artikel ist Bestandteil einer Reihe zum Thema persönliches Wissenmanagement und Aufbau eines Ablagesystems für Dinge, die online gefunden werden). Der erste Teil war eine grundlegende Behandlung des Themas “Tags” (Schlagworte oder Schlüsselworte) und kann hier gelesen werden.

Wissens- oder Informationsmanagement?

Wissensmanagement (knowledge management) ist die Bearbeitung und Verwaltung der Wissensbasis einer Person oder einer Organisation. Dieses Wissensbasis sind im Idealfall alle Daten, Informationen, Wissen und Fähigkeiten, die für die Bearbeitung von Aufgaben und den Umgang mit neuen Herausforderungen benötigt werden. Da dies in der Realität kaum der Fall ist (niemand hat immer bereits alle benötigen Informationen vorliegen), ist der Bereich des Wissenserwerbs ein elementarer Bestandteil von Wissensmanagement". Dieses Thema ist sogar für eine Reihe von Blogposts viel zu umfangreich. Ziel dieser Reihe ist vor allem die Organisation von Informationen, die im Verlauf einer Recherche oder auf Empfehlung von Anderen sinnvoll und strukturiert so abgelegt werden, dass ein sinnvolles Wiederauffinden (engl. “information Retrieval”) möglich ist. Im Idealfall ermöglicht dies sogar das Entdecken neuer Zusammenhänge und die Schaffen von Wissen (engl. “knowledge discovery”). Damit beinhaltet das sowohl den Aufbau einer Struktur für die Erfassung und Ablage von (größtenteils im Internet/Web liegenden) Informationen als auch die Prozesse, die für die Erfassung, Verwaltung und die Abfrage dieser Informationen nötig sind. Der bessere Ausdruck für das Thema dieses Blogposts ist daher Informationsmanagement.

Persönliche Informationsablage

Eine Bemerkung vorab: meine persönliche Informationsablage (meine “Grabbelkiste”) ist genau das: mein persönliches Werkzeug. Wenn Du also mit einem anderen Ansatz besser zurecht kommst oder nur Teile interessant findest, dann ist das völlig in Ordnung. Ich teile an dieser Stelle nur meine Erfahrungen bzw. Software und Ideen, die sich als nützlich herausgestellt haben. Grund dafür, das endlich mal aufzuschreiben, war ein Tweet von Uwe Kranz, der mich netterweise daran erinnerte.

Der Tweet von Uwe

Daten, Informationen oder Wissen? Oder mehr?

Das soll nicht bedeuten, dass neues Wissen nicht in meiner Ablage landet. 😉 Allerdings muss ich dazu vorab die Begriffe klären, denn es gibt einen Unterscheid zwischen den Dingen.

  • Daten sind die “unterste” Schicht in diesem Stapel aus Begriffen. Sie kennzeichnen exakt das: reine Daten, also beispielsweise Text aus Buchstaben und Zahlen.
  • Darüber stehen Informationen, d.h. mit Bedeutung versehene Daten, beispielsweise die Information, dass es sich um 100 Adressen von Ärzten in München handelt.
  • Wissen ist etwas, dass durch Informationen und Lernen entsteht. In unserem Beispiel, dass sich Arztadressen mit der Kaufkraft und dem Image eines Stadtviertels verknüpfen lassen und woher sich diese Informationen beziehen lassen.
  • Das Verständnis als Stufe ist generalisiertes Wissen, mit dem sich beispielsweise erkennen lässt, warum bestimmte Ärzte eher teurere oder besonders herausragende Lagen für ihre Praxis bevorzugen und dass solche Fragen z.B. für die plastische Chirurgie wichtiger ist als für ein radiologisches Zentrum.

Beispiel für die Schichten

Die Ebene des Verständnis ist dann etwas, dass weniger in einer strukturierten Informationsablage zu finden ist, sondern im Kopf der Person, die mit dieser Informationsablage arbeitet. Interessanterweise ist dies oft die Ebene (zusammen mit Wissen), die Organisationen mit dem Begriff “Wissensmanagement-System” für die Organisation nutzbar machen wollen, was sich naturgemäß als schwierig erweist, denn solch immaterielles Wissen ist schwer in einfachen Strukturen auszudrücken bzw. enthält viele implizite Annahmen, die aus dem Weltwissen der jeweiligen Person resultieren.

Ein anderes Beispiel, warum Daten (und manchmal auch Informationen) ohne eine Umwandlung in Wissen nicht unbedingt relevant sind und wieso für ein Wissensmanagement immer auch Weltwissen relevant ist: Busabfahrtszeiten auf Kreta. 😉 Meine Frau und ich haben unsere Hochzeitsreise dorthin gemacht und die Zahlen auf dem Zettel an der Bushaltestelle des Hotels sind die Daten. Information wird es dann, wenn ich erkenne, dass es sich um Abfahrtszeiten handelt und dass diese Frühmorgens und Mittags dichter gestaffelt sind. Zu Wissen wird das in Kombination mit dem Weltwissen, dass Zeit in verschiedenen Regionen der Welt ein unterschiedliches Konzept darstellt. Es gibt Gegenden, da kommt es nicht auf die Minute an (und wie mir ein Freund, der auf den Antillen gearbeitet hat bestätigte, in manchen Flecken der Erde nicht mal auf die Stunde 😄). Das Wissen, dass es also auch durchaus noch Sinn machen kann, bei einer Ankunft zwei Minuten nach Abfahrtszeit an der Haltestelle zu warten hängt daher vom Ort ab. Verständnis wäre dann, begriffen zu haben, dass der morgendliche Gottesdienst im Dorf oberhalb der Bushaltestelle acht Minuten vor der Abfahrtszeit um 8:05 endet und daher der Bus beladen mit einigen kretischen Senioren etwa 3 Minuten vor der Abfahrtszeit an der Haltestelle vorbei braust (aber eben nur um 8). Aber zurück zur Ablage und Bearbeitung von Daten und Informationen …

Einsatzzweck

Für alle auf der Suche nach “dem Tool”: nein, das gibt es nicht (will sagen, ich kenne es nicht). Du gehst immer Kompromisse ein. Entweder durch Abstriche bei der Funktionalität, beim UX, bei der Zeit für die Erstellung oder beim Lernaufwand. Der Vorteil: um so eine Sammlung anzulegen, reicht tatsächlich für eine minimale Funktionalität je nach Kenntnisstand und Vorlieben eine Textdatei oder eine Tabellenkalkulation. Alternativ auch eines der vielen verfügbaren Zettelkasten-Programme (wie z.B. Joplin oder andere). Was ich im Folgenden beschreibe, sind meine Prozesse bzw. Tools. Nach diversen Ansätzen und Programmen (und teilweise nervtötenden Datenmigrationen) bin ich letztes Jahr an dem Punkt angelangt, mich entweder in ein professionelles System zur Ablage und zum Information Retrieval einarbeiten (und erst einmal eines zu finden) oder meine Fähigkeiten zu nutzen und mir dieses Ding selbst zu bauen. Die Entscheidung fiel verständlicherweise für die zweite Alternative: was zum Basteln, was zum Nachdenken und dann noch was Sinnvolles – das sind ja drei Sachen auf einmal! 😉

Vorab: aktuell habe ich noch nicht den vollständigen Bestand in meiner Ablage. Auf dieses Ziel arbeite ich noch hin und das ist einer der Gründe, warum es auf eine Eigenentwicklung hinaus laufen wird. Denn ich möchte da nicht nur Links drin haben (dann wäre Raindrop·io meine Lösung. Rusteem, der Autor hat aber Notizen explizit als Nicht-Ziel seiner Anwendung genannt). Notizen-Apps wie Joplin sind hervorragend für die Ablage von Notizen und das Erstellen eines verlinkten Zettelkastens geeignet, haben aber kaum Möglichkeiten für die Verwaltung von Ressourcen im Web. Eine Datei pro Artefakt wird irgendwann schwierig bei aktuell bereits ca. 15000 Einträgen plus noch dem restlichen zu konvertierenden Bestand.

Was liegt denn da drin?

Da meine Materialsammlung (der digitale Zettelkasten und die anderen Bestände, den ich liebevoll “Grabbelkiste” nenne) nicht nur aus Digitalem besteht, müssen auch physikalisch vorhandene Bücher („Tinte auf toten Bäumen“) in das System integrierbar sein. Der Hauptteil des Bestandes sind Online-Artefakte irgendwo im Internet, aber auch lokale Dateien und auch kurze Textstücke, die keine eigene Datei rechtfertigen wie z.B. Zitate oder Aphorismen. Die Hauptelemente sind daher:

  • Alles, was sich über eine URL adressieren lässt
  • Notizen und kurze Texte (z.B. Zitate)
  • Informationen zu Büchern in Papier (z.B. als bibtex-Datensatz)
  • GIFs und andere Memes
  • Tweets (nicht den Link, sondern Text und Bilder des Tweets)

Die Anforderungen an ein Recherche-Tool

Wie oben beschrieben, geht es mir nicht (oder nur zum Teil) darum, die Dateien in meinem lokalen Netzwerk oder nur bestimmte Dateien als Bestand zu haben. Damit sind Tools oder Lösungen, die nur mit Dateien arbeiten (können) für meinen Einsatzzweck nicht geeignet. Dazu kommt, dass ich ja nicht nur Dateien auf meinem Rechner für die Recherche verwenden möchte und mehr als ein Betriebssystem nutze. Zu manchen Einträgen in diesem digitalen Zettelkaste mache ich mir Notizen oder möchte eine Zusammenfassung speichern. Ich will meine Ablage daher unter am liebsten über den Browser und damit vom Raspberry bis zum Desktop-PC nutzen können. Ergebnisse einer Recherche müssen leicht geteilt werden können, denn wenn ich erst einmal eine halbe Stunde damit verbringe, Daten in ein brauchbares Format zu konvertieren, dann tue ich es nicht. Falls Du Dich jetzt wunderst: nein, ein popeliger PDF-Export ist kein brauchbares Format, ebenso wenig wie ein strukturloser, flachgeklopfter Textexport, den manche Tools anbieten. Wichtig sind die Informationen, nicht deren Präsentation.

In einem solchen System wird deutlich mehr gesucht und gelesen als geschrieben (neue Einträge hinzugefügt). Daher muss der Schwerpunkt der Funktionalität bzw. die Optimierung auf dem sog. “Information Retrieval” liegen und nicht darauf, eine schöne Liste von Einträgen im Web zu präsentieren. Das bedeutet unter anderem:

  • Ablage in möglichst plattform-neutraler bzw. format-neutraler Form oder so, dass eine Konvertierung möglich ist
  • Eine Suchfunktion mit den entsprechenden Möglichkeiten (u.a. der Suchen für eine spätere Wiederverwendung abzuspeichern)
  • Diese Suchfunktion muss sowohl eine Beschreibung/einen Abstrakt, Tags oder die URL durchsuchen können, ebenso wie Zeiträume eingrenzen
  • Eine Möglichkeit, Suchresultate bei Bedarf nochmals manuell zu filtern oder vollständig manuell kuratierte Ergebnisse zu bilden
  • Funktionen, um bestehende Daten in verschiedenen Formaten zu importieren
  • Eine Funktion zum Teilen in verschiedenen Formaten
  • Bei der Übernahme aus dem Web sollten die wesentlichen Metadaten automatisch extrahiert werden
  • Für Tags (Schlagworte) muss eine Verwaltung möglich sein, idealerweise eine Begrenzung auf eine bestehende Liste
  • Das System darf nicht nur über eine z.B. browser-basierte Oberfläche bedienbar sein, sondern muss automatisierbar sein (=> API)
  • Es muss eine Möglichkeit vorhanden sein, “Sammlungen” zu erstellen, als statische Listen und dynamisch als Ergebnis einer Suche
  • Über die API muss es möglich sein, einen “Feed” zu erzeugen, denn andere System einfach abonnieren bzw. abfragen können
  • Es braucht Verwaltungsinstrumente für den Bestand (finde Einträge ohne Tags, prüfe die vorhandenen URLs, ob sie noch gültig sind, etc.)

Ich denke, damit wird klar, dass die Ablage in einer Textdatei wirklich nur eine Minimal-Lösung sein kann (obwohl damit mehr möglich, ist viele Leser:innen vielleicht annehmen, vor allem, wenn Du Dich mit der Kommandozeile etwas vertraut gemacht hast 😉). Ebenso klar wird aber auch, warum ich Tools wie Wakelet, Padlet, TaskCards und anderen so skeptisch gegenüberstehe: das sind letztlich Präsentations-Tools, die das Ergebnis einer Recherche präsentieren. Wenn ich nicht einmal eine brauchbare Volltextsuche, geschweige den Verschlagwortung oder Metadaten habe, was mache ich dann mit einer Auflistung von Hunderten von Karten in Zeilen und Spalten? Manuell durchblättern? Weil ich zu viel Zeit habe und mir langweilig ist? Sorry, aber das erlaubt kein Information Retrieval, nur ein Darstellen oder (unvollständiges) Sammeln von Informationen und das ist etwas völlig anderes.

Letzte Schlussfolgerung aus dieser Liste: es gibt einen Grund, warum ich nebenbei seit Ende 2019 (pandemie-bedingt mit etwas weniger Zeit als gewünscht) an einem eigenen “Grabbelkisten-Server” entwerfe und baue, denn das ist als Freizeitprojekt nicht trivial. Vor allem dann, wenn es mehr als eine Nutzer:in bedienen bzw. als schulweites Sammelbecken für Links und Informationen dienen soll. Da ich sowas immer auch als eigenes Lernprojekt angehe, wird der “Grabbelkisten-Server” dann auch so gebaut, dass die Software als OpenSource und kostenlos genutzt werden kann. Das bedeutet, es gibt etwas höhere Qualitätsanforderungen als einen dreckigen Hack für den Eigenbedarf, der nur ein paar Mal benutzt wird. Aber das ist eine weitere Folge in dieser Reihe. 😉

Wichtig ist es, sich Gedanken über die Struktur und die Metadaten der abgelegten Informationen zu machen. Das Wo (und damit die Frage des Tools) ist für eine persönliche Lösung tatsächlich weniger wichtig als Du vielleicht denkst. Für eine Lösung, die beispielsweise für das Kollegium einer Schule oder eine andere Community ausreichen soll, ist das wieder anders (kommt in einem der nächsten Teile der Reihe).

Am ehesten bieten Tools wie Evernote oder Trello eine gute Ausgangsbasis für eine persönliche Ablage: Web-Funktionalitäten, Notizen, Verschlagwortung, eine gute Suche und eine dokumentierte API. Wer fast nur Weblinks ablegen möchte, ist mit einem Tool wie raindrop.io gut beraten, das ebenfalls diese Funktionen bietet und das ich als Bestandteil meiner “Grabbelkiste” nutze (jedes Jahr fülle ich neu hinzugekommenen Einträge in mein Archiv der “Grabbelkiste” um). Damit sind auch die minimalen Anforderungen für ein solches persönliches Tool definiert:

  • Gute Suchfunktion (Volltext, nach Schlagworten, zeitbasiert, etc)
  • Verschlagwortung und Notizen
  • Weblinks und Webfunktionalität (z.B. Browsererweiterung, Auslesen von Metadaten)
  • Dokumentierte API, damit der Einsatz keine Sackgasse bleibt und das Tool automatisierbar ist

Allerdings möchte ich nach den Anforderungen zuerst den Prozess beschreiben und dann die Tools bzw. Elemente meines Ansatzes, denn der Prozess definiert die Implementierung in Software.

Der Prozess

Ein “Prozess”? 🤔 Ist das nicht Overkill, es geht ja nicht um die Mondlandung, sondern um den Aufbau eines persönlichen Recherche-Tools…

Nein, ist es nicht. Denn ein Prozess (genauer die Prozessdefinition) beschreibt einen zielgerichteten (jedenfalls im Normalfall 😉) zusammenhängenden zeitlichen Ablauf von Aktivitäten und Ereignissen. Damit entspricht eine Prozessdefinition einem Algorithmus, mit dem ich beschreibe, welche Arbeitsschritte zum gewünschten Ergebnis führen. Exakt das, was benötige, um festzulegen, mit welchen Software-Tools ich das erreichen kann. Daher ist die Überlegung, wie meine Arbeitsprozesse aussehen, zwingend vor der Auswahl einer Software durchzuführen.

Das Auffinden bestehender und das Hinzufügen neuer Informationen zu meiner persönlichen “Grabbelkiste” besteht meiner Meinung nach aus einer ewigen Schleife: aus einer Fragestellung ergibt sich der Bedarf für eine Recherche, aus der Ergebnisse und damit sehr wahrscheinlich auch neue Einträge. Diese bilden nach Bewertung und Klassifikation das Material für den Wissenserwerb, der wiederum in neue Fragestellungen mündet. Dazu kommen Fundstücke, auf die ich ohne Suche stoße und als interessant bewerte ("serendipity").

Die wichtigsten Prozesse sind für mich die folgenden

  • Collect (das Sammeln von Artefakten)
  • Process (das Verarbeiten bzw. Klassifizieren von Einträgen)
  • Retrieval (das Finden von Informationen im Bestand)
  • Simplify (Zusammenführen, Ausmisten, Generalisieren von Einträgen)
  • Serendipity (Glückliche Zufallsfunde, die ich für später oder andere speichern möchte)
  • Curate (Kuratieren von Sammlungen zu bestimmten Themen)
  • Share (Teilen und Bereitstellen für andere)

Collect (Sammeln)

Wenn ich ein interessantes „Artefakt“ entdecke (eines, das ich aktuell benötige oder von ich annehme, dass ich es zukünftig benötigen werde), wird das gesichert. Ich sammle also nicht nur für den „das lese ich später“-Zweck, sondern auch um Material zu sammeln, von dem ich glaube, dass es für mein Netzwerk hilfreich sein könnte. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird das eine Ressource im Web oder im Internet (ja, das sind zwei verschiedene Dinge!) sein, also etwas, das sich über eine URL (oder eine andere Adresse) ansprechen lässt.

Immer, wenn ich auf etwas Interessantes stoße, kommt es in die Grabbelkiste. Bei der Recherche in diesem Stadium werden Artefakte nur überflogen bzw. einer ersten Prüfung auf Nutzen unterzogen und dann mit zwei, drei Tags abgelegt. Das erlaubt das relative schnelle Erfassen von Fundstücken, ohne sich gleich mit einer Bewertung zu verzetteln, die eventuell durch spätere Funde wieder obsolet wird.

Process (Verarbeiten und Bewerten)

Nach dem “Sammelstreifzug” erfolgt das Verarbeiten der Funde, also die Bewertung. Hier werden Funde auch wieder verworfen, es wird geprüft, ob dieses Artefakt bereits in der “Grabbelkiste” vorhanden ist oder nicht. Bei einer URL z.B. muss nur nach dieser URL im Bestand gesucht werden (gute Tools bieten diese Überprüfung bereits bei der Erfassung und ersparen so das doppelte Erfassen). Danach erfolgt die Vergabe von Schlagworten (tags) und die eventuell nötige Überarbeitung bzw. Erfassung der Beschreibung (bei Weblinks wird die Beschreibung und der Titel üblicherweise von einem Tool wie z.B. raindrop.io übernommen). Idealerweise werden jetzt auch weitere Metadaten vergeben, dazu hat es sich bewährt, auf die definierten Metadaten-Merkmale des Dublin Core Schema zurück zu greifen. Dazu kommt eine prägnante Beschreibung bzw. die Änderung einer automatisiert gelieferten Beschreibung.

Je nach Arbeitsstil (und verfügbarer Zeit) lassen sich diese beiden Prozesse auch in einem zusammen führen. Es hat sich aber bewährt, am Ende des Tages die untertags gesammelten Artefakte zu verarbeiten/klassifizieren, denn manchmal weiß ich bereits am Ende des Tages, dass ich einen Eintrag nicht mehr benötige oder habe mehrere Einträge zu einem Thema gefunden, von denen sich einer als der Beste herausstellt und die anderen mit umfasst. Da eines der essenziellen Metadatenfelder der Zeitstempel der Erfassung ist, ist es sehr leicht, alle heute neu gefundenen Artefakte aufzulisten.

Retrieval (Recherchieren und Finden)

Kern jedes Wissensmanagements ist die Suche nach Informationen. Daher ist für die Tool-Sicht eine ausreichend mächtige Suchfunktion wichtig. Wer beispielsweise Online-Tools wie Padlet oder andere verwendet, hat keinerlei Möglichkeit, nach Einträgen oder bestimmten Textstellen zu suchen. Je nach Tool und Ansatz sind solche Suchmöglichkeiten unterschiedlich mächtig. Notwendig ist eine Suche auf jeden Fall. Wenn diese dann noch gestaffelt den Inhalt oder die URL oder nach Schlagworten suchen kann, umso besser.

Die Suchfunktion sollte mindestens eine Volltextsuche umfassen, besser aber die Möglichkeit bieten, gezielt nach bestimmten Metadaten zu suchen wie Zeitstempeln, Tags, Metadaten. Dazu kommt die Möglichkeit in der Abfrage mit logischen Operatoren und Gruppierungen zu arbeiten (UND, ODER, NICHT und Klammern). Ein Beispiel für eine sehr gute Suche findest Du in diesem Blogpost des Trello-Teams.

Simpify (Vereinfacehn und Generalisieren)

Dies ist der Prozess, mit dem ich während der Arbeit an einem Thema Einträge verbessere, zusammenführe oder Informationen generalisiere. So könnte ich beispielsweise verschiedene Einträge durch einen einzelnen Eintrag auf einen Blogpost von mir ersetzen, der das Thema umfassend oder in allgemeiner Form behandelt. Dieser eine Link auf den Blogpost würde dann ausreichen, wenn darin die ursprünglciehn Einträge in der “Grabbelkiste” verarbeitet wurden.

Curate (Kuratierung von Sammlungen)

Das Konzept der Dateiordner ist in der Kultur der Digitalität überholt, da es für physische Objekte erdacht wurde, die sich nur an genau einem Ort befinden konnte. War ein Buch einem bestimmten Thema zugeordnet, war es in einer Bibliothek genau an dieser einen Stelle zu finden. Für digitale Artefakte macht das keinen Sinn mehr, denn hier ist problemlos eine mehrfache Zuordnung möglich. Aus diesem Grund organisiere ich meine Einträge nicht nach Ordnern oder in Hierarchien, sondern vergebe Schlagworte ("tags"). Ein Text über die Auseinandersetzungen in Sizilien im Rahmen des ersten punischen Krieges kann sowohl über das Schlagwort “Karthago” als auch über “Geschichte” oder “Punischer Krieg” gefunden werden. Vergebe ich dazu noch Schlagworte wie “Karten” und “Video” oder “Bild”, ist auch eine Eingrenzung auf bestimmte Medientypen oder andere Dinge kein Problem. Mehr dazu gibt es aber in meinem Blogpost zu Tags

Es gibt allerdings so etwas ähnliches wie Ordner: ich unterscheide zwischen einer Sammlung und einer Abfrage. Sammlungen sind statisch kuratierte Listen von Einträgen zu einem bestimmten Thema. So gibt es in meinem PLE eine Sammlung mit der Bezeichnung “Apollo” zum Apollo-Raumfahrtprogramm. Die enthält Einträge, die ich zu diesem Thema gesammelt habe und so einfach weitergeben kann. Eine Abfrage dagegen ist das Ergebnis einer Suche. Kommen in zwei Wochen 10 neue Artefakte hinzu, bleibt die Sammlung unverändert, während die Abfrage nach dem Schlagwort “Apollo” diese neuen Artefakte beinhalten würde. In meinem persönlichen Werkzeug arbeite ich gerade daran, solche Anfragen ebenfalls mit ihren Kriterien abspeicherbar zu machen, so dass ich diese nicht jedes Mal neu eingeben muss. Allein das wird den manuellen Pflegeaufwand nochmal verringern. Du wirst für einen nutzbringenden Einsatz und vor allem das Teilen mit anderen beide Möglichkeiten benötigen, das kann ich aus Erfahrung berichten. 😉

Share (Teilen und Bereitstellen für andere)

Das Teilen ist der Prozess, der aus den Inhalten in meiner “Grabbelkiste” neue Artefakte macht, die anderen nutzen. Da die Anforderungen vielfältig sind, muss auch das Werkzeug so flexibel sein, Inhalte in verschiedenen Formaten zu teilen. Vor allem, ohne die Struktur zu verlieren. Es muss klar erkennbar bleiben, was Schlagwörter (tags) sind, was die Beschreibung ist, welche ursprüngliche URL in welche endgültige URL aufgelöst wurde (z.B. bei gekürzten Links) und so weiter. Wichtig ist, dass eine Ablage diese Möglichkeiten bietet, ohne ein bestimmtes Format zu erzwingen. Oftmals bieten Tools einen simplen Export als HTMl-Datei oder als Markdown-Liste von Links an. Problematisch dabei ist, dass die Semantik der einzelnen Informationen verloren geht. Sicherlich sind solche Exporte nützlich, sie dürfen nur nicht die einzige Möglichkeit sein, Daten aus einem Tool wieder heraus zu bekommen. Wer jemals versucht hat, Daten aus z.B. OneNote in strukturierter Form zu exportieren, um sie in einer anderen Anwendung zu importieren oder weiter zu verarbeiten, weiß, was ich damit meine. 😆

Für das Teilen ist daher ein möglichst offenes bzw. flexibles Format am sinnvollsten. Das bedeutet letztlich, dass in der Welt der Software zwei Möglichkeiten übrig bleiben, wenn die breite Masse der Software etwas damit anfangen könne soll: XML oder JSON. Wem die beiden Begriff bzw. dieser Abschnitt zu technisch sind, keine Sorge: einfach ignorieren und weiter lesen, dann bist Du noch nicht in der Situation, das zu benötigen (hast Du ein Glück 😄).

Die mysteriöse „Grabbelkiste“

Wer mir auf Twitter folgt, hat sicher bereits gelesen, dass ich Informationen oder Verweise oft mit einem „aus meiner Grabbelkiste“ teile. Was ist denn die Grabbelkiste? Diese Grabbelkiste ist meine persönliche Informationsablage. In einer idealen Welt würde dieser aus einem Ablageort bestehen, aber wer lebt schon in einer idealen Welt? 😉 Im Gegensatz vielen anderen Leute, die sich in der Bildungsblase auf Twitter aufhalten, verwende ich keine Cloud-basierte Lösung oder eine App wie EverNote, GoodNotes, Notion oder Sammel-Tools wie Padlet oder Wakelet. Schon allein aus dem Grund, weil ich die ältesten Einträge deutlich vor 2000 und damit etwa ein Jahrzehnt vor der Smartphone-Ära gesammelt habe und die Migration in den einen Gesamtbestand noch nicht abgeschlossen ist. Dazu kommt, dass ich die Daten unter meiner Kontrolle (mein Server, meine Domain) haben will. Also nicht in der Cloud ablegen und dann lokale Backups, sondern lokale Daten plus Sicherung auf einem NAS plus dann Synchronisation in die Cloud.

Wie diese “Grabbelkiste” aufgebaut ist bzw. wo die Vorteile im Einsatz für eine Gruppe liegen, der Einsatz also über eine persönliche Ablage hinaus geht, das wird Thema einer der nächsten Posts. Nur so viel: auch das Mitnehmen ist einfach, denn die Einträge sind in einer Datenbank gesammelt, die in einer einzelnen Datei liegt. Ich kann meine “Grabbelkiste” also einfach auf einen USB-Stick kopieren und habe alles dabei.

Offen und standardisiert

Welche tatsächliche Form eine „Grabbelkiste“ für Dich annimmt, ist eine persönliche Entscheidung. Das kann einfach eine große Menge von Textdateien sein (natürlich Markdown-Dateien, was dachtest Du denn? 😉) oder Einträge in einer Applikation wie Joplin (was letztlich auch synchronisierte Markdown-Dateien sind) oder der Zettelkasten von Daniel Lüdecke oder Zettlr von Hendrick Erz oder eben ein Tool wie GoodNotes. Alle haben ihre Vor- und Nachteile bzw. präferieren einen bestimmten Arbeitsstil. Wichtig ist es, die Daten auf einfache Art und Weise (auch automatisiert) in das System hinein und vor allem auch wieder hinaus zu bekommen. Das ist einer der Gründe, warum ich immer so viel Wert auf die Verfügbarkeit einer brauchbaren API für ein Tool lege. Was tue ich, wenn ich nach und nach eine vier- oder fünfstellige Anzahl von Einträgen in einem Tool habe und kann diese Daten nicht vollständig und konsistent in strukturierter Form exportieren? Wenn alles, was mir dan angeboten wird, ein PDF-Export ist, war die ganze Arbeit umsonst.

Als Kriterien für ein Tool haben sich folgende Punkte bewährt:

  • Verfügbarkeit auf mehreren Systemen
  • Volltext und Metadaten-Suche
  • Automatisierbar durch eine API
  • Metadaten zum eigentlichen Inhalt
  • Medienneutral (attachments)
  • Teilen ist einfach
  • Einträge sind optional untereinander verlinkbar
  • Schema-less: keine starre Struktur oder jede Menge Pflichtfelder

Im einfachsten Fall ist das ein Ordner mit einer Markdown-Datei pro Eintrag. Jeder Eintrag bekommt die unten angegebenen Metadaten. Diese werden gleich bei der Erfassung vergeben, das dauert vielleicht eine halbe Minute pro Eintrag, erspart aber jede Menge Sucherei und verhindert Einträge, die sich nie wieder finden lassen. Ja, das ist aufwändig und bietet viele Vorteile, aber auch Nachteile zugleich, aber deshalb beginnt der Satz ja auch mit den Worten “im einfachsten Fall” 😉

Die Minimalinformationen sind die folgenden:

  • Titel
  • Datum der Erfassung
  • Beschreibung
  • Falls vorhanden, die URL
  • Falls vorhanden, der Text
  • Schlagworte (tags)

Handelt es sich bei dem Artefakt um eine externe Datei, dann ist die URL der Link zur Datei (lokale Dateien werden über das file:-Protokoll gekennzeichnet, siehe z.B. https://en.wikipedia.org/wiki/File_URI_scheme).

Beziehungen einzelner Einträge untereinander werden ebenfalls durch Markdown-Links abgebildet. Damit das funktioniert, benötigt jeder Eintrag (jedes Artefakt) einen eindeutigen Namen. In meinem Fall ist das relativ einfach. Jeder neue Eintrag bekommt eine eineindeutige ID. Auch Tools wie Joplin arbeiten mit einer solchen ID pro Eintrag.

“Mindset takes time”

Ich baue seit langem an meiner persönlichen Lernumgebung und habe viele Dinge neu gedacht oder umorganisiert. Dazu kommt, dass ich natürlich nicht immer zu 100% alle meine eigenen Vorgabe durchhalte und auch schon mal Dinge finde, die in einer externen Datei gespeichert sind oder Weblinks ohne Schlagworte den Weg in die Grabbelkiste finden. Der Vorteil einer strukturierten Ablage ist aber die Möglichkeit des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, d.h. ich kann über entsprechende Abfragen feststellen, wo beispielsweise Schlagwörter fehlen.

(Einige) meiner Tools

  • Sublime Text mit einer immer offenen Datei scratchpad.md (wenn ich privat ohne Zögern für einen Editor 80€ zahle, weißt Du, wie gut er sein muss 😄)
  • Die “Grabbelkiste”, meine eigene SQL-Datenbank mit den Einträgen der letzten Jahre und Ziel für alles (derzeit noch Baustelle, aber schon “bewohnbar”)
  • Checkvist (https://checkvist.com) Genialer Outliner (habe die Bezahlversion, war ein No-Brainer)
  • Joplin (https://joplinapp.org) (eine sehr gute Notizen-App mit Markdown und mit mobilen Apps, alles was mit hier fehlt, ist eine Handschrifterkennung, aber die hat ja iOS für mich)
  • Raindrop.io (https://raindrop.io) für Weblinks (habe auch hier sofort die Bezahlversion gekauft)

Schlussbemerkung

Wenn Du bis hierher durchgehalten hast, herzlichen Dank und großen Respekt! Dann liegt Dir das Thema wirklich am Herzen. Das ist nur ein Artikel aus einer ganzen Reihe, daher freue ich mich, wenn Du für die nächsten Teile zurück kommt. Ich werde die einzelnen Teile dann natürlich auch untereinander verlinken.

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