Die Zukunft des Kaffees

 

Dies ist der zweite Teil der Blogposts zum Thema Kaffee,
den ersten Teil findet Ihr an dieser Stelle.

Die Kaffeewelt wird sich verändern

Ganz schön anspruchsvoller Titel – wieso wird sich die Kaffeewelt denn verändern? Sie wird sich meiner Meinung nach verändern müssen bzw. ist bereits dabei. Denn der Klimawandel und Krankheiten, die durch Monokulturen und fehlende Widerstandsfähigkeit von Arabica-Varietäten ganze Ernten vernichten sowie der Rückgang verfügbarer Anbauflächen sind Faktoren, die Kaffee zukünftig schwieriger anzubauen und damit teurer machen werden. Aber auch die schmale genetische Basis des Arabica-Kaffees trägt einen Teil zum Problem bei. Wir werden sich auch in der Zukunft noch Kaffee trinken, aber er wird möglicherweise etwas anders schmecken und wenn wir Glück haben und auf “Artenretter” hören, wahrscheinlich sogar besser. Ich betreibe in diesem Artikel etwas Kaffeesatz-Leserei, zeige aber auch interessante Hintergrundinformationen zu Kaffeepflanzen und warum wir kurz davor stehen, die Zukunft des Kaffees vielleicht der Abholzung und dem Klimawandel zum Opfer fallen zu lassen.

Kaffee ist Lebensqualität

Für den jährlich erscheinenden Kaffeereport, den Brand Eins im Auftrag von Tchibo erstellt 1 wurden im Januar 2023 in einer repräsentativen Umfrage 3500 Kaffeetrinker:innen befragt. Dabei stellte sich auch heraus, dass sich nur wenige beim Kaffee einschränken möchten:

Anteil der deutschen Kaffeetrinker:innen, die sich vorstellen könnten, komplett auf Kaffee zu verzichten, in Prozent: 8,1
Anteil der deutschen Kaffeetrinker:innen, die ihren Kaffeekonsum nicht einschränken könnten, in Prozent: 35,0

Das Kaffee (nicht nur) uns Deutschen lieb und teuer ist, zeigt auch die folgende Grafik. Es würde an Vielem gespart, aber nur selten am Kaffee.

Grafik, bei welchen Dingen Leute sparen würden

Die Liebe zum Kaffee hat eine lange Tradition und die Produktion von Kaffeebohnen steigt ständig an. Die früheste Zahl zur Weltproduktion, die ich gefunden habe, stammt aus dem Werk “Botanisches Hilfsbuch für Pflanzer, Kolonialbeamte, Tropenkaufleute und Forschungsreisende” von Prof. Dr. Hubert Winkler und wurde 1912 in der Hinstorffschen Verlagsbuchhandlung in Wismar veröffentlicht. Dort findet sich eine Aufstellung, die aus “Der Kaffee” von W.Röper, Hamburg, ohne Jahr (1907?), im Selbstverlag entnommen wurde.

Weltkaffeeproduktion um 1900

Bereits damals war Brasilien der größte Produzent der Welt, mit einem noch höheren Anteil von 55% (2022 waren es ca. 36%). Umgerechnet in die übliche Maßeinheit eines 60kg-Sacks ergeben diese 849 Mio kg eine Menge von 14.150.000 Säcken. Die Weltproduktion 2022 lag bei etwa 172.750.000 60kg-Säcken (Kaffeereport 2023, Brand Eins / Tchibo, Quelle: US Dept. of Agriculture). Damit hat sich die Kaffeeproduktion in den letzten 120 Jahren verzwölffacht!

Auch Kaffeetrinker sind Gewohnheitstiere

Und immer noch ist ein Großteil des konsumierten Kaffees Arabica (coffea arabica und seine Varietäten und die arabicoiden Kreuzungen aus Arabica und coffea canephora oder coffea liberica). Warum ist das so?

Arabica rulez?

Zum einen: Arabica kennt die Menschheit wahrscheinlich seit fast 1000 Jahren. Die Quellen über den Beginn des Kaffeekonsums sind mager, aber da bereits über Quellen dokumentiert im 14. Jahrhundert Pflanzen aus dem Heimatgebiet des Arabica-Kaffees im abessinischen Hochlands des heutigen Äthiopien und des Sudans nach Jemen exportiert und dort angebaut und gehandelt wurden, nehme ich an, dass die 1000 Jahre eine gute Schätzung darstellen.

Nach Europa kam der Kaffee als Genussmittel erst später. Während Istanbul damals um 1475 noch Konstantinopel hieß, soll es dort bereits ein Kaffeehaus gegeben haben. Ab dem 17. Jahrhundert geht es dann Schlag auf Schlag: 1635 eröffnet in Gaziantep (im Südosten Anatoliens) das “Tahmis Kahvesi” erstes byzantinisches Café. 1673 erlaubte der Rat der Stadt Bremen Jan Jahns van Huisten die Gründung des ersten öffentlichen Kaffeehauses und 1686 entstand in Paris das Café Le Procope, das immer noch in Betrieb ist. Ebenfalls 1686 eröffnet in London “Lloyd’s Coffee House” in der Tower Street. Ja genau, “Lloyd’s” – die Stammgäste waren Seeleute, Händler und Reeder und es wurden alle möglichen Nachrichten zum Thema Handle und Schifffahrt ausgetauscht und als Wandzeitung veröffentlicht. Es verwundert etwas, dass die Italiener relativ spät zur Party dazu kamen. Erst Ende Dezember 1720 eröffnet in Venedig das Kaffeehaus “Alle Venezia Trionfante”, das heute unter seinem aktuellen Namen “Caffè Florian” weltweit bekannt ist. Bereits nach wenigen Jahren hatte es sich in der Serenissima eingebürgert, einfach “gehen wir zu Florian” zu sagen, der venezianischen Form des Namens von Floriano Franciscano, dem Gründer und ersten Besitzer.

Zeichnung der Cofea Arabica

Und in all diesen Kaffeehäusern wurde Arabica-Kaffee ausgeschenkt. Etwas anderes war damals nicht bekannt, denn nur die Pflanzen, die im 14. Jahrhundert aus dem Jemen in die Welt verbreitet wurden, waren bekannt. Erst im 19. Jahrhundert tauchten mit der ErforschungKolonisierung Afrikas durch die Europäer nach und nach Samen und Bohnen anderer Pflanzen auf. Coffea stenophylla (auf den ich später noch zurückkommen werde, da diese Art ein “Hoffnungsträger” für die Zukunft des Kaffees ist) wurde bereits Mitte der 1790er Jahre von Adam Afzelius in Sierra Leone gefunden. Coffea canephora, der “Robusta” (obwohl das nur eine Varietät der coffea canephora ist und nicht der Name der Art wird Robusta heute fast überall als Bezeichnung verwendet) wurde erst in den 190ern im damaligen Kongo wieder entdeckt. Coffea liberica, eine andere Kaffeeart, aus der sich ein hervorragender Kaffee machen lässt, wurde erst 1904 in der Nähe des Tschad-Sees beschrieben. Auch Coffea brevipes, und Coffea eugenioides wurden erst weit nach der Einführung des Arabica-Kaffees in Europa entdeckt.

Wir hatten also Jahrhunderte Zeit, uns an das Aroma-Profil zu gewöhnen. Das prägt. Jetzt kommt dann jemand mit Bohnen der coffea canpehora um Eck. Natürlich ist das ungewohnt, ein anderer Geschmack und – da die Arabica-Bohne etwa 40% mehr Zucker enthält und die Canephora-Bohne dafür doppelt so viel Koffein und mehr Chlorogensäure (die beide bitter schmecken), kann ich mir die Reaktionen der ersten Konsumenten vorstellen. 😉 Wer den ersten Teil gelesen hat, weiß, dass zusätzlich die trockene Aufbereitung damals als minderwertiger und von geringerer Qualität angesehen wurde und schon hatte coffea canephora seinen schlechten Ruf weg. Dabei kann ich es ganz kurz machen: es gibt hervorragende Canephora-Kaffees und das nicht nur im dunkel gerösteten Espresso-Bereich! Jede Menge Körper, vollmundig, mit Karamell- und Getreide-Aromen, Noten von Nougat, Cognac und Tonka-Bohne. Aber eben kein Arabica. Stellt Euch vor, Eure Gesellschaft hat 300 Jahre lang nur halbtrockenen oder lieblichen Weisswein gekannt. Und jetzt kommt jemand mit einer Flasche Sassicaia oder Ornellaia ums Eck. 😆

Herausforderungen

Bedingt durch en Klimawandel und die damit verbundene Zunahme des Risikos von Ausbrüchen von Pflanzenkrankheiten (auf die ich weiter unten eingehe) werden die Anbaubedingungen für Kaffee allgemein und Arabica im Besonderen schwieriger werden. Gerade im Bereich biologischer Produktion wird die Bekämpfung von Krankheiten schwerer. Die steigenden Temperaturen erfordern einen immer höheren Anbau, um qualitativ hochwertigen Arabica zu erhalten. Die folgenden Abschnitte gehen auf einige Herausforderungen ein, die auf die Produktion von Kaffee warten und warum gerade auch der von vielen heiß geliebte Arabica in den nächsten Jahrzehnten besonders harten Zeiten entgegen geht.

Gene, Pollen und Flaschenhälse

Mit oder ohne Bestäubungs-Service?

Dieser etwas unkreative Zwischentitel bezieht sich auf einen großen Unterschied zwischen den beiden Kaffeearten, die zusammen aktuell mehr als 98% des Welthandels ausmachen.

Coffea arabica ist selbstbestäubend, coffea canephora muss fremdbestäubt werden. Die Staubgefäße der Blüte liegen bei der Arabica-Pflanze höher als der Stempel mit der Narbe, wo die Pollen aufgenommen werden. Dadurch reicht erstens eine kleine Brise und die Pollen der Staubgefäße fallen schwerkraftbedingt in Richtung des Stempels (der im Englischen als “pistil” bezeichnet wird) und der Narbe. Durch diese Windbestäubung sind keine Insekten oder andere Pollinatoren nötig.

Bei coffea canephora liegen die Staubgefäße mit den Pollen unterhalb der Narbe, daher kann diese Kaffeeart nur fremdbestäubt werden. Diese Aufgabe übernehmen nicht nur Insekten, sondern auch Vögel oder Säugetiere, die auf Nahrungssuche die Kaffeepflanzen besuchen.

Durch die Bestäubung werden Pollen und damit Erbinformationen zwischen einzelnen Pflanzen ausgetauscht, was die genetische Vielfalt und damit den evolutionären Vorteil einer Pflanze erhöht. Entfällt dies, weil bei Arabica-Blüten die Bestäubung nahezu vollständig durch die gleiche Pflanze erfolgt, verringert das die genetische Bandbreite.

Der Ursprung

Die coffea arabica ist sehr empfindlich gegenüber Schädlingen und Krankheiten. Im Gegensatz zu anderen Coffea-Arten besitzt Arabica eine sehr eingeschränkte genetische Bandbreite. Der Grund dafür ist, dass die Kreuzung zwischen coffea eugenioides und coffea canephora wohl tatsächlich ein einmaliges Ereignis war und diese eine Pflanze der Ursprung aller auf der Welt existierenden coffea arabica-Pflanzen ist 2. Über den Zeitpunkt der Entstehung dieser neuen Art schwanken die Angaben, aber es gibt Studien, bis bis über eine halbe Million Jahre annehmen, also weit vor irgendeinem menschlichen Eingriff 3. Danach ergaben sich dann im Verlauf weitere genetische Flaschenhälse, bei denen nur wenige Pflanzen das Weiterleben der Art sicherten.

Solche “bottlenecks” gibt es bei vielen Arten. Auch die Menschen durchlebten solche Ereignisse. Es gibt Nachweise im Erbgut, dass es vor etwa 70.000 Jahren nur noch wenige Tausend Individuen unserer Art gab und wir alle von dieser kleinen Population abstammen.

Eine größere genetische Vielfalt bietet im evolutionären Wettbewerb mehr Chancen, bei Bedrohungen auszuweichen, in dem Resistenzen oder neue Fähigkeiten entwickelt werden. Je geringer die genetische Vielfalt einer Art ist, umso größer ist gerade bei massenhaftem Anbau das Risiko, einer Pandemie zum Opfer zu fallen.

Kaffeebohnenn in einem Holzlöffel

Out of Äthiopien

Der Arabica-Kaffee wanderte vom unbekannten Entstehungsort der Art nach und nach in die Bereiche von Äthiopien und dem Südsudan, wo es Berichten zufolge schon im 6. und 7. Jahrhundert Konsum der Kaffeekirschen und erste Experimente mit den Bohnen gab.

Im 14. Jahrhundert gelangten einige Kaffeesamen oder -pflanzen in den Jemen und wurden dort vermehrt. Die Hauptgegend der Arabica-Pflanzen lag im südwestlichen abessinischen Hochland, das ab dem 14. Jahrhundert zum Königreich Kaffa gehörte. Ein Export der wertvollen Kaffeesträucher oder auch von Samen war daher nur sporadisch und in kleinen Mengen möglich, was die genetische Vielfalt der in den Jemen gelangten Pflanzen nochmals einschränkte.

Auch aus dem Jemen gelangten immer nur einzelne Pflanzen in neue Anbaugebiete. So wurden Samen etwa 1670 nach Indien geschmuggelt und 1706 gelangte der Arabica nach Amsterdam in den botanischen Garten. Von dort aus kam der Arabica 1715 als Kriegsentschädigung an die Bourbonen. Diese sorgten wieder für eine Verbreitung aus einem Bestand von nur wenigen Pflanzen. Unter anderem brachten sie diesen auf die Insel Bourbon (die heute La Reunion heißt, aber die Benennung nach dem eigenen Königshaus hat Herrschern schon immer geschmeichelt). 1723 gelangte eine einzige Pflanze mit einem Schiff nach Martinique in die Karibik. Die Reise der Dromedaire, bei der der spätere Gouverneur Gabriel-Matthieu de Clieu seine Trinkwasserration mit der Pflanze (ursprünglich waren die Pflanzen an Bord, aber nur eine überlebte die Reise) teilt, ist eine der berühmtesten Geschichten der Kaffeewelt.

Pilze und Würmer – die Kaffee-Gegner

Aufgrund der geringen genetischen Bandbreite dieser Tatsache sind Arabica-Varietäten empfindlicher als Varietäten der Art coffea canephora und bestimmter Kreuzungen. Die drei häufigsten Kaffeekrankheiten sind Die Kaffeekirschenkrankheit, Blattrost und der Befall mit Wuzelgallen-Nematoden.

CBD Coffee berry disease

Die Kaffeekirschenkrankheit (CBD) wird durch den Befall mit einem Pilz (Colletotrichum kahawae) verursacht. Entdeckt wurde die Krankheit 1922 im heutigen Kenia und sie verursacht bei Befall Ernteausfälle bis zu 80%. Das charakteristische Symptom ist eine fortschreitende Schwärzung der jungen, wachsenden Kaffeebeeren. Dies beginnt mit kleinen, wassergetränkten sog, Brennflecken (Anthraknose). Sie werden schnell dunkel und eingesunken. Wenn sie wachsen, verfault die ganze Kaffeekirsche.

In einem frühen Stadium der Krankheit fallen die Beeren oft vom Zweig ab. Solche Brennflecken können auch an jungen Kaffeekirschenstielen auftreten, so dass diese abgeworfen werden. Unter sehr feuchten Bedingungen (die für Arabica sowieso schon Stress bedeuten) kann diese Krankheit auch Blüten befallen und braune Flecken auf den Blütenblättern verursachen. Die Pilzsporen werden im Baum durch Regentropfenspritzer, die Kaffeepflücker, Vögel oder infizierte Setzlinge verbreitet.

CLR Coffee Leaf Rust (Blattrost)

Blattrost (CLR) ist ebenfalls eine Pilzkrankheit (Befall durch hemileia vastatrix) und tritt auch außerhalb Afrikas an Kaffeepflanzen auf. Daher ist CLR ist eine der wirtschaftlich schädlichsten Kaffeekrankheiten weltweit. Eine Epidemie mit Blattrost hat schon die Ernten ganzer Länder zerstört bzw. stark verringert. Allein ein Ausbruch in Mittelamerika 2012 hat die dortige Produktion an Kaffee um mehr als 15% reduziert und in Guatemala beispielsweise fast 85% der Ernte zerstört.

Durch den Befall wird die Fähigkeit zur Photosynthese verringert, da sich die Sporen des Pilzes als gelbbrauner “Rost” an den Blättern der Pflanze absetzen. Die dadurch bedingte Verschlechterung des Pflanzenstoffwechsel führt zu einer geringen Quantität und Qualität an Blüten und Kaffeekirschen.

Durch den Klimawandel und die steigenden Temperaturen wandern auch Schädlinge wie die Pilze in immer höhere Lagen. Vor einigen Jahrzehnten waren Lagen oberhalb von etwa 1000 Metern noch sicher, mittlerweile tritt die Krankheit (von den Kaffeebauern dort mit dem spanischen Wort für Rost als “roya” bezeichnet) auch in Höhenlagen über 2000 Metern auf.

Nematoden

Nematoden sind Fadenwürmer der Gattung meloidogyne, die vor allem in Gegenden mit heißem Klima oder mit sehr kurzen, warmen Wintern auftreten. Sie befallen das Wurzelwerk von Pflanzen. Diese bilden als Reaktion auf den Befall Gallen (kleine Knoten), daher werden diese Fadenwürmer auch als Wurzelgallen-Nematoden bezeichnet. Es gibt einige Arten, die Kaffee befallen. Als ein Beispiel verursacht M. exigua Gallen am Wurzelsystem, die mit bloßem Auge sichtbar sind. M. coffeicola verursacht keine Gallen, aber Rissbildungen und Abschälungen an den Wurzeln. Die Nematoden schädigen den Transport von Wasser und Nährstoffen in die Pflanze, was zu Chlorose (Ausbleichen, Mangelerscheinung an Chlorophyll) und Entlaubung führt.

Eine Gefahr für Bio-Kaffee

Kaffeepflanzen, die von den oben genannten (oder anderen) Krankheiten befallen werden, stellen die biologisch arbeitenden Betriebe vor große Probleme. Entweder es werden Fungizide eingesetzt oder die Produzenten müssen den Pflanzen beim Sterben zusehen. Biologische Bekämpfung ist schwierig. Bei den Pilzen hilft ohne die Verwendung von Fungiziden nur das Ausschneiden, Vergrößern des Pflanzabstandes durch Entfernen von Pflanzen und Vermeidung durch Weitertransport der Sporen (z.B. durch Desinfektion von Werkzeugen). Beim Befall mit Nematoden hilft neben der physikalischen Bodenbehandlung mit Heißdampf (was nur geht, solange da keine Kaffeepflanzen wachsen) nur das Entfernen der befallenen Pflanzen und das Abwarten von mindestens sechs Monaten, denn solange können die Fadenwürmer ohne einen Wirt überleben. Und die neu gesetzten Kaffeepflanzen tragen dann erst nach drei bis vier Jahren wieder erste Kirschen.

Eine Handvoll Kaffeekirschen

Das Klima interessiert (schon) die Bohne

Der Klimawandel betrifft auch den Kaffee. Die Prognosen, die sich aus der Auswertung von Trends der Vergangenheit ergeben, lassen nicht nur einen weiteren Anstieg der Temperaturen (nicht nur) in den Tropen erwarten, sondern auch häufigere Extremwetterereignisse. Die weltweite Kaffeeproduktion muss daher mit anhaltenden systemischen Schocks als Reaktion auf räumlich zusammenwirkende Klimagefahren rechnen, wie Studien zeigen.4

Bereits 2015 sagte Mario Cerutti, Sustainability Officer der Lavazza Group auf der 39. HOST-Konferenz in Mailand: “Über unseren Köpfen schwebt eine dunkle Wolke. Die Lage ist dramatisch ernst. Der Klimawandel kann auf kurze Sicht erhebliche negative Auswirkungen haben. Es geht nicht mehr um die Zukunft, es geht um die Gegenwart.

Dies ist nicht nur ein Problem der großen industriellen Röster und Vermarkter. Denn ein Großteil der etwa 25 Millionen Kaffeepflanzer der Welt sind Kleinbetriebe, die oft gar nicht über die Ressourcen verfügen, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen. Insgesamt leben über 120 Millionen Menschen in 70 Ländern vom Anbau und der Weiterverarbeitung von Kaffee. Viele der Länder gehören zu den Regionen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden. 5

Grob gerechnet liegen die idealen Wachstumstemperaturen für Arabica zwischen 18 und 22 Grad und die für Robusta zwischen 22 und 28 Grad. Während ein Anstieg der Temperaturen daher für Robusta-Varietäten leichter zu verkraften ist (es gibt nicht mehr viel verfügbares Land oberhalb von 2000 Metern in den klassischem Arabica-Regionen), wird die für den Kaffeeanbau verfügbare Fläche generell im Verlauf der nächsten Jahrzehnte sinken. In Tansania ist der Ertrag pro Hektar aufgrund der globalen Erwärmung seit den 1960er Jahren bereits auf ungefähr die Hälfte des damaligen Wertes abgesunken. Nicaragua könnte innerhalb der nächsten 30 Jahre den Großteil der Anbauflächen verlieren. Unabhängig von den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen lassen sich solche Produktionsmengen nicht einfach irgendwo anders hin verlagern, denn der Klimawandel ist einglobales Problem.

Wie Mario Cerutti bereits vor etwa einem Jahrzehnt prognostizierte, sind die größten Gefahren des Klimawandels für die Kaffeewelt:

  • weniger gute Ernten oder hohe Ernteausfälle
  • eine sinkende Qualität des Rohkaffees
  • stark schwankende Markpreise
  • Investitionen in Kaffeeumfeld werden unsicherer und weniger rentabel
  • ein Absinken der Lebensqualität und Existenzverlust für Kaffeefarmer

Falls der Klimawandel ungebremst weitergeht, dann wird sich bis etwa 2050 die weltweit verfügbare Anbaufläche für Kaffee um die Hälfte reduzieren. Was noch viel schlimmer ist: bis etwa 2080 könnten viele der wilden Kaffeearten und -variatäten aussterben und die Kaffeeproduzenten und damit die Welt eine unwiederbringliche genetische Ressource verlieren. Schon allein deswegen wird es zukünftig deutlich weniger “100% Arabica” geben bzw. werden sich viele diese Zusammenstellung nicht mehr leisten können.

Wer jetzt nach einem Lichtblick in all den dunklen Aussichten sucht: Klimaforscher sind der Meinung, dass der Süden Brasiliens (die größte Anbauregion für Arabica und Brasilien allein liefert über 36% der weltweiten Rohkaffee-Produktion) noch relativ gesehen am geringsten vom Klimawandel betroffen sein wird. Allerdings steigt auch hier die Wahrscheinlichkeit für Extremwetter, insbesondere Frost.

Hilfe durch die Verwandtschaft

Aktuell machen coffea arabica und coffea canephora mit ihren Varietäten und Kreuzungen über 98% des Weltmarkts aus (ungefähr 60% Arabica und 40% Canephora). Die beiden sind aber nicht die einzigen Arten, aus denen sich Kaffee erzeugen lässt. Mit steigenden Preisen bzw. geringerer Verfügbarkeit (die Preise für Robusta-Bohnen haben auf dem Rohstoffmarkt im letzten Jahr einen Preis auf einem 30 Jahres-Hoch erzielt). Es wird schon seit einigen Jahren versucht, durch die Nutzung des genetischen Potenzials der anderen Kaffeearten höhere Erträge, schnellere Reifung und eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten zu erzielen.

So ist beispielsweise CxR eine Kreuzung zwischen coffea canephora und coffea congensis (Kongo-Kaffee), die kompakter wachsende Sträucher mit etwas kleineren Blättern als Canephora trägt. Der Geschmack ist intensiv, aber sanfter und weniger bitter als Robusta-Varietäten. Eine andere bekannte Kreuzung, die hauptsächlich in Indien und Indonesien angebaut wird, ist S795. Das ist eine in Indien gezüchtete Kreuzung aus Kent, einer Arabica Tipica-Varietät und S288, eine Varietät von Liberica-Kaffee.

Eine andere Kaffee-Art kam vor 2021 zu Ruhm und war das Gespräch der gesamten Branche, weil Diego Campos damit der Barista-Weltmeisterschaft gewonnen hatte. “Es ist bei weitem der überraschendste und faszinierendste Kaffee, den ich je gekostet habe”, so beschrieb er die von ihm verwendete Röstung aus coffea eugenioides.

Teilansicht einer Kaffeeplantage

Die Wiederentdeckung

Aktuell stehen fünf weitere Arten der Gattung Coffea im Fokus der Forschung 6 7 und der Kaffeeproduzenten, da sie entweder nochmals deutlich widerstandsfähiger gegenüber steigenden Temperaturen sind, dem Geschmacksprofil von Arabica ähneln oder völlig neue und wenig bittere Noten in die Tasse bringen.

  • Coffea liberica – der unbekannte Elternteil des Arabica
  • Coffea eugnioides – der Stern der Barista-Weltmeisterschaft
  • Coffea brevipes –
  • Coffea stenophylla – der auf der Roten Liste und mit den schwarzen Kirschen 8
  • Coffea congensis – die Koffeinbombe

Es gibt auch im Netz interessante Berichte über die Verkostung von solchen “vergessenen” oder “unbekannten” Arten und ihrer Varietäten. 9 oder die Feldarbeit zur “Wiederentdeckung” von Coffea-Arten. 10 Das sich diese Arten teilweise bereits jetzt mit coffea arabica oder coffea canephora kreuzen ließen, zeigt ebenfalls das große Potenzial, dass in der Forschung in diesem Bereich liegt.

Zurück in die Zukunft

Der Siegeszug des Arabica-Kaffees begann nicht in seiner Heimat, sondern im Jemen (s. “Der Ursprung”). Die genetische Linie beginnt aber in Äthiopien, dem “Heimatland” des Kaffees. Dort finden sich viele Varietäten in den Wäldern, die kaum in Züchtungen eingeflossen sind und erst in den letzten Jahrzehnten wieder entdeckt wurden. Diese Varietäten haben sich über sehr lange Zeiträume ideal an ihre dortig Umgebung angepasst. Da bedeutet eine sehr hohe Qualität und Geschmack, allerdings auch niedrige Erträge. Durch die Anpassung an den Lebensraum haben diese Varietäten aber auch meist eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten als viele andere tipica- und Bourbon-Arabicas erworben. Die Bezeichnung für diese Kaffeepflanzen lautet “Heirloom” oder “Ethiopian landrace”. Das sind Überbegriffe für die vielen wilden oder genetisch noch nicht bestimmten Varietäten. Und es gibt in dieser Gegend noch eine riesige Anzahl von kleinräumigen Varietäten.

Wie erfolgreich die Nutzung sein kann, zeigen zwei Beispiele. Die Arabica-Varietät “Gesha” (auch oft Geisha) wurde in den 1930er Jahren aus Äthiopien nach Ostafrika verbracht und in Tansania angebaut. Von dort gelangten Pflanzen in den 1950ern nach Costa Rica und wurden dort und später auch in Panama angebaut. Allerdings wurden die Bohnen immer nur in Mischungen verwendet. Erst 2004 bereitete die Hacienda “La Esmeralda” in Panama die Bohnen sortenrein auf und brachte sie beim Wettbewerb “Best of Panama” ein. Das löste eine regelrechten Run auf diese Varietät aus. Allerdings ist Gesha auch empfindlich. Sehr dünnes Blattwerk hat eine schwächere Photosynthese als bei anderen Varietäten zur Folge, das nicht so ausgeprägte Wurzelwerk kann weniger Wasser und Nährstoffe transportieren. Und die Pflanze fühlt sich erst ab einer Anbauhöhe von über 1700 Metern über dem Meeresspiegel so richtig wohl in Mittelamerika. Das alles sorgt für einen Ertrag, der bei etwa der Hälfte anderer in Panama und Costa Rica wachsenden Varietäten liegt. Das erklärt dann auch, warum Röstungen beim Verkauf Kilopreise von 150-200 Euro kosten. Was den Namen angeht: Gesha ist ein Distrikt im Südwesten von Äthiopien, das “i” kommt wohl durch Schreib- oder Verständnisfehler immer wieder in den Namen.

Das zweite Beispiel ist ein Kultivar, also eine Züchtung mit dem Namen “Esperanza”. Die genauen Daten lassen sich im “Coffee Varieties Catalog” des World Coffee Research nachschlagen. Ein Klick führt direkt zu Esperanza. Das ist eine F1-Hybrid Züchtung aus T5296 und der lokalen Äthiopien-Varietät ET25. Was das “F1-Hybrid” bedeutet, dazu komme ich gleich. Vorher aber: wer den Link angeklickt hat, wird sehen, dass eine großen Ertrag bietet, sehr gute Geschmacksqualität und noch dazu relativ tolerant gegen alle drei großen Kaffeekrankheiten ist. Dazu kommt eine extrem gute Verträglichkeit hoher Feuchtigkeit, was Extremregenereignisse aufgrund des Klimawandels weniger bedrohlich für die Produzenten machen würde.

Wow, die Wunderpflanze! Wo ist der Haken? Es gib einen und das ist der gleiche wie bei allen F1-Hybriden in der Landwirtschaft, egal ob Mais, anderes Getreide oder eben seit etwa 15 Jahren auch Kaffeepflanzen: sie sind nicht samenfest. Sobald aus diesen Pflanzen Saatgut gewonnen wird, stellt ich heraus, dass die nachfolgende Generation unvorhergesehene Merkmale besitzt, der Ertrag völlig einbrechen kann oder die Pflanze instabil ist. Ein F1-Hybrid Saatgut eignet sich also immer nur für einen Pflanzdurchgang. Die Vermehrung muss durch Klonen erfolgen. Diesem Nachteil steht entgegen, dass solche Züchtungen eine große Uniformität besitzen (alle Pflanzen werden in etwa gleich groß, die Reifezeit ist gleich usw.), also ideal für größere Plantagenpflanzungen sind. Auch hier gibt es ein Beispiel aus der Tierwelt und unser Chico kommt wieder als Beispiel zum Einsatz: er ist ebenfalls ein F1-Hybride, ein Hybrid aus einem Zwergpudel und einem Malteser. In dieser Mischung kommen die besten Eigenschaften beider Rassen zum Tragen, aber wir wurden sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass wir keinesfalls mit Chico eine weitere Generation züchten sollten. Maltipoo und Maltipoo wird nicht funktionieren.

Aus genau diesem Grund spalten F1-Hybriden die Gemüter. In der Landwirtschaft bedeutet dies das Ende der Unabhängigkeit. Ich kann kann aus meinem Pflanzen kein eigenes Saatgut mehr erzeugen und bin auf den Nachkauf bei den Samenherstellern angewiesen. Dieser Umstand sorgte über viele Jahre für große Probleme und gab dem Begriff “Hybrid-Saatgut” auch in der Öffentlichkeit ein negatives Image.

Die Herausforderung der “Newcomer”

Die oben genannte Arten bieten jede Menge Potenzial, den Kaffee in die Zukunft des Klimawandels zu retten. Allerdings muss die Menschheit begreifen, dass wir nicht weiter ungebremst mit Bulldozer und Kettensäge durch Regenwälder pflügen können. Für Arten coffea stenophylla wäre es beinahe zu spät gewesen. Dazu kommt der Aufwand, die idealen Anbaubedingungen und -regionen zu finden sowie den Ertrag zu steigern, ohne die anderen positiven Eigenschaften der Arten zu verlieren. Viele der anderen Arten wachsen auch nicht “plantagengerecht”. So ist coffea liberica ein Riese: die Bäume werden über 15 Meter hoch und auch in klein gehaltener Form benötigen sie einen Pflanzabstand von etwa 5x5 Meter. Das ist sehr viel mehr als das sonst übliche Pflanzraster von 2x2 bis 3x3 Metern. Rechnet man dann noch den geringeren Ertrag dazu, wird schnell klar, dass es sich um Langzeitprojekte und Aufgaben für nationale und internationale Forschungseinrichtungen handelt. Ein einzelner Betrieb kann diese Arbeit nicht leisten und wird nicht alles auf die eine oder andere Art setzen. Auf der anderen Seite ist mehr oder weniger allen Beteiligten in der Kaffeeindustrie klar, dass weniger Ertrag oder neue Geschmacksprofile immer noch sehr viel besser sind als gar kein oder nur minimaler Ertrag, weil die Umweltbedingungen den Anbau nicht mehr wirtschaftlich machen.

Der Wald und die Logistik

Es gibt noch einen Faktor, der dazu beitragen wird, dass Kaffee teurer wird und der hat seinen Grund in einer EU-Richtlinie zu entwaldungsfreien Lieferketten. 11 Diese gibt je nach Risiko des Ursprungslandes bestimmte Quoten für die Kontrolle von Containern vor. Da Brasilien nicht nur der weltgrößte Produzent von Arabica ist, sondern auch ein Hochrisikoland für die unerlaubte Entwaldung, müssen hier ab Ende 2024 9% der Container kontrolliert werden. Jeder elfte Container muss im Hafen also geöffnet, kontrolliert und mit den Frachtpapieren abgeglichen werden. Dazu kommt bei Rohkaffee für jede Charge ein Herkunftsnachweis mit Geodaten zur Anbaufläche. Da die Mehrzahl der Kaffeeproduzenten Kleinbetriebe sind, siehe “Das Klima interessiert die Bohne” können in einem Container Säcke von Dutzenden Betrieben vorhanden sein. Allein die Zeit dafür wird die Umschlagzeiten verlängern und damit Geld kosten.

Kaffee-Säcke

Dazu kommt noch ein anderer Aspekt. Seit einigen Jahren ist deutlich mehr Kapital der Importeure in den Lagern gebunden. Die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Störung der Lieferketten sowie andere Probleme (wer hat nicht die Berichte über den Stau am Suezkanal gelesen, als die Ever Given dort festhing?) haben dafür gesorgt, dass sich die Kaffeebranche vom “just in time”-Konzept verabschiedet hat. Die Lagerplätze für Kaffee in Hamburg sind alle vergeben und bis oben hin gefüllt. Niemand will den Kunden keine Waren liefern können und damit eventuell auch Kunden verlieren, die zur Konkurrenz wechseln.

Die Anforderungen (und damit die Kosten) im Bereich Logistik und Dokumentation für Kaffee werden in den nächsten Jahren also noch steigen.

Blick in die Glaskugel Kaffeetasse

Kommen wir zur Kaffeesatzleserei. 😉 Wie wird es die nächsten Jahrzehnte weitergehen mit dem Lieblingsgebräu und Muntermacher? Der bereits jahrelang anhaltende Trend zu Milchmix-Kaffees (viele bekannte Kaffeeketten sind ja eher Molkereiverkaufsstellen als Kaffeevertrieb) wird jedenfalls dafür sorgen, dass sich der Kaffee geschmacklich durchsetzen muss. Ein sehr feiner Arabica mit zarten Aromen oder sowas wie Gesha sollte jedenfalls nicht in heiße Milch gekippt werden. Daher wird die Breite der Zubereitungen zunehmen. Auch hier bietet der “Kaffeereport 2023” wieder interessante Einblicke.

Welche Geräte werden zur Zubereitung von Kaffee genutzt?

Eine weitere Auswirkung lässt sich ebenfalls relativ sicher vorhersagen: wie viele andere Lebensmittel (Orangensaft und Sortenhonig sind solche Beispiele) wird Kaffee sicher nicht billiger werden. Ob dann bei steigenden Preisen die Verbraucher:innen Abstriche bei der Qualität machen werden oder sich das Mischungsverhältnis von Kaffee mehr in Richtung Robusta verschieben wird, wird sich zeigen. Als Liebhaber des italienischen Espresso (und das in der Insel- bzw. Süditalien-Variante) bin ich da vorbelastet. Ich habe überhaupt nichts gegen eine Arabica-Robusta Mischung von 60:40 oder 40:60. 😉

Die Preisbildung für Kaffee ist ein sehr komplexer Prozess. Viele miteinander verknüpfte Faktoren spielen eine Rolle, von denen die reinen Produktionskosten für den Rohkaffee nur einer ist. Angebot und Nachfrage, die Erntesituationen und der Klimawandel, Währungsschwankungen und Spekulationen mit Kaffee als Termingeschäft und das Ende des “just in time”-zeitalters bei Kaffee sowie steigende Transparenzpflichten und Umweltregulierungen tragen alle zu steigenden Preisen bei.

Das steigende Bewusstsein der Verbaucher:innen für die Situation der Erzeugerbetriebe und der Trend zu Bio wird ebenfalls Auswirkungen haben. Auch wenn der Großteil des Kaffees noch als Instantkaffee oder Filterkaffee in Standardmaschinen zubereitet wird, steigt der Anspruch. Wer einmal nach einem typischen Kantinenkaffee einen wirklich gut zubereiteten Filterkaffee mit einer floralen Arabica-Mischung probiert hat oder einen caffè macchiato (caffè, nicht latte!) aus einer hervorragenden 100% Fine Robusta Röstung, der will nicht mehr zurück.

Die relativ große Konzentration beim Anbau (Brasilien, Indonesien, Indien und Vietnam produzieren über 70% des weltweiten Kaffees!) stellt in Zeiten des Klimawandels und unsicherer politischer Verhältnisse ein Risiko dar. Der durch den Klimawandel bedingte Schwund der Anbauflächen wird ebenfalls zu einer Nutzung der Kaffeevarietäten und Anbauformen führen, die den größtmöglichen Ertrag bringen. Für viele kleine Erzeugerbetriebe wird die Organisation in Kooperativen und die Zertifizierung durch Bio- und Öko-Siegel weiterhin Chancen eröffnen.

Die interessanteste, aber auch am schwersten zu beurteilende Perspektive ist die Nutzung und die Domestizierung der Kaffeearten abseits von coffea arabica und coffea canephora. Langfristig bietet dies das Potenzial für einen Ausweg aus der Arabica-Abhängigkeit, allerdings nur dann, wenn sich Anbau, Ertragssituation und Widerstandsfähigkeit gegen Klimawandel und Krankheiten entsprechend nutzen und steigern lassen. Vielleicht wächst der Anteil der “restlichen Verwandtschaft” der beiden großen Arten auf einen zweistelligen Prozentbetrag. Die so möglichen Entdeckungen in geschmacklicher Hinsicht dürften es jedenfalls wert sein.

Quellen


  1. “Kaffee in Zahlen”, eine Publikation von BrandEins im Auftrag von Tchibo. Das Magazin ist ein Nachschlagewerk, das in erster Linie durch Zahlen, Daten und Fakten überzeugt. Landingpage mit der Liste aller verfügbaren Ausgaben: https://www.brandeins.de/corporate-services/kaffee-in-zahlen ↩︎

  2. Scalabrin, S., Toniutti, L., Di Gaspero, G. et al. A single polyploidization event at the origin of the tetraploid genome of Coffea arabica is responsible for the extremely low genetic variation in wild and cultivated germplasm. Sci Rep 10, 4642 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-61216-7 ↩︎

  3. Salojärvi, J., Rambani, A., Yu, Z. et al. The genome and population genomics of allopolyploid Coffea arabica reveal the diversification history of modern coffee cultivars. Nat Genet 56, 721–731 (2024). https://doi.org/10.1038/s41588-024-01695-w ↩︎

  4. Richardson D, Kath J, Byrareddy VM, Monselesan DP, Risbey JS, Squire DT, et al. (2023) Synchronous climate hazards pose an increasing challenge to global coffee production. PLOS Clim 2(3): e0000134. https://doi.org/10.1371/journal.pclm.0000134 ↩︎

  5. “A brewing storm: The climate change risks to coffee”, Fairtrade Australia & New Zealand, 2016, ISBN 978-1-921611-35-3, downloadable under https://www.fairtrade.net/library/a-brewing-storm-the-climate-change-risks-to-coffee ↩︎

  6. Davis AP, Gargiulo R, Fay MF, Sarmu D, Haggar J. Lost and Found: Coffea stenophylla and C. affinis, the Forgotten Coffee Crop Species of West Africa. Front Plant Sci. 2020 May 19;11:616. doi: 10.3389/fpls.2020.00616. PMID: 32508866; PMCID: PMC7248357. ↩︎

  7. Bertrand B, Davis AP, Maraval I, Forestier N, Mieulet D. Potential beverage quality of three wild coffee species (Coffea brevipes, C. congensis and C. stenophylla) and consideration of their agronomic use. J Sci Food Agric. 2023 May;103(7):3602-3612. doi: 10.1002/jsfa.12347. Epub 2022 Dec 12. PMID: 36418192. ↩︎

  8. Lars Fischer, Neue Art soll Kaffee vor Klimawandel retten, 2021, online: https://www.spektrum.de/news/stenophylla-kaffee-neue-art-soll-kaffee-vor-klimawandel-retten/1862398, abgerufen 2024-04-14 ↩︎

  9. Tasmin Grant, Tasting “Forgotten” Wild Coffee Species: An Experiment, online: https://perfectdailygrind.com/2021/01/tasting-forgotten-wild-coffee-species-an-experiment/, abgerufen 2024-04-17 ↩︎

  10. Rachel Arthur, Rediscovering forgotten wild coffee species, Feb 2021, online: https://www.beveragedaily.com/Article/2021/02/10/Rediscovering-forgotten-wild-coffee-species-to-safeguard-against-climate-change, abgerufen 2024-04-14 ↩︎

  11. “EU-weit einheitliche Regelung für entwaldungsfreie Lieferketten”, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, https://www.bmel.de/DE/themen/wald/waelder-weltweit/entwaldungsfreie-Lieferketten-eu-vo.html, abgerufen am 26.04.2024 ↩︎

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